Gelsenkirchen. Bei Stauffenberg protestiert die Belegschaft gegen die Abwicklung ihres Betriebs. Die Restproduktion läuft noch mit 40 Beschäftigten bis Mai.

Wut, Sorgen und Angst sind spürbar in der Kälte vor dem alten Backshop. Hier haben sich die Stauffenberg-Beschäftigten Punkt 12 Uhr aufgebaut, um gegen ihren Jobverlust zu protestieren. Der Großbäcker ist in der Insolvenz, der Betrieb soll abgewickelt werden. 90 Mitarbeiter wurden bereits Montagabend freigestellt, 40 arbeiten noch bis Ende Mai Restaufträge ab. Hüben stehen Bäcker mit ihren Demo-Schildern, drüben hinterm Werkszaun huschen einige in die Brotfabrik zur Arbeit. Eine surreale Situation, die vor dem Tor den Frust wachsen lässt. Die Personal-Auswahl scheint höchst strittig. Erst am Vorabend hatte der Betriebsrat den Sozialplan vorgelegt bekommen. Zu spät, um zu reagieren.

„Wir wollen nichts außer unserer Arbeit. Wir haben alle alles gegeben. Soll das der Dank dafür sein? Das tut richtig weh“, sagt Kara Bircan. Seit 1982 ist er Bäcker bei Stauffenberg. 25 Jahre ist Erika Krech dabei. „Man hat ja die letzten Tage noch Hoffnung gehabt“, sagt sie. Nun steht sie mit 70, 80 anderen Beschäftigten an der Wembkenstraße und will zumindest erreichen„dass vielleicht noch jemand wachgerüttelt wird und sich Gedanken macht, wie man was retten kann.“

„Sie haben nicht betrogen. Sie haben keine Verträge gekündigt.“

Am Stauffenberg-Standort in Daun gingen bereits letzte Woche die Lichter aus. 80 Beschäfigte sind dort betroffen. Zehn sind an diesem düsteren Dienstag nach Rotthausen gefahren, um Position zu beziehen. Ein letzter, verzweifelter Akt? Oder kommt noch ein Kapitel?

Wem der Einsatz gilt, machen Worte und Plakatbotschaften deutlich: Aldi (der Discounter ist mit Abstand der größte Stauffenberg-Kunde) hat im November die Verträge mit dem insolventen Großbäcker gekündigt – kurz bevor die bis zum ersten Insolvenzverfahren Ende 2013 verantwortliche Führungsmannschaft um Ex-Inhaber Frank Ostendorf wegen Betrugs zu hohen Haftstrafen verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig, Ostendorf war wieder im Betrieb aktiv. Offenbar war das zuviel Belastung fürs Geschäftsverhältnis.

"Qualität und die Produkte waren okay"

„Ich heiße nicht Ostendorf“ haben sich einige Bäcker als Schild um den Hals gehängt. Andere haben den Aldi Schriftzug mit einem großen Kreuz versehen. „Es hat nicht an Euch gelegen, die Qualität und die Produkte waren okay“, sagt NGG-Geschäftsführerin Yvonne Sachtje. Den Aufmarsch am Werk verbindet sie mit einem Appell Richtung Aldi, die Kündigung nochmal zu überdenken. „Es ist kein guter Tag, weder für die Beschäftigten, noch die Stadt und auch nicht für mich“, bekräftigt Oberbürgermeister Frank Baranowski. Und auch er betont: „Sie haben nicht betrogen. Sie haben keine Verträge gekündigt. Sie haben das gemacht, was Sie können: Gute Arbeit geleistet. Jeden Tag.“

Es ist – von AUF bis Verdi – die Zeit der Solidaritätsadressen, des Bedauerns, nur bedingt der kämpferischen Töne. Der Betriebratsvorsitzende Detlev Bomsdorf bedankt sich bei allen, „die bis zum Schluss hervorragende Arbeit geleistet haben.“ Erst letzten Montag habe er erfahren, „dass alle Arbeitsplätze weg sind. Für jeden Einzelnen tut mir das leid.“ Wenn es möglich sei, „auf Aldi zuzugehen, um laufende Aufträge auszuweiten, sind wir dabei“, kündigt zumindest Baranowski an. Mehr versprechen kann oder will an diesem Tag keiner.