Marl/Gelsenkirchen. . Weil er einer Abiturientin kurz vor dem Abitur die Angst vor der Abschlussprüfung nehmen wollte, ist jetzt ein Mathelehrer in Marl zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Angeklagt war Geheimnisverrat. Nun muss er um seinen Beamtenstatus bangen.
Er selbst nannte es im Prozess eine "große Dummheit", für die Justiz ging es um nichts weniger als Geheimnisverrat: Vor dem Amtsgericht Marl musste sich jetzt ein 58-jähriger Mathelehrer verantworten, weil er einer Abiturientin kurz vor dem Abitur die Angst vor der Matheprüfung nehmen wollte. Doch die bekam Gewissensbisse - das brachte den Lehrer vor Gericht.
Einen Tag vor der Matheklausur an einer Schule in Gelsenkirchen-Buer hatte sich der Lehrer im Mai vergangenen Jahres mit der Abiturientin getroffen, in einem Café in der Marler Innenstadt. "Für Fragen bin ich immer da", hatte der Lehrer seinen Abiturienten vor den Prüfungen versprochen - "aber nur bis zum Download-Termin" der Prüfungsaufgaben, so will er es eingeschränkt haben. Daran hielt er sich letztlich nicht, angeblich weil man für das vereinbarte Treffen keinen früheren Termin gefunden hatte.
Mit dem Lehrer einen Tag vor der Abiklausur getroffen
Nach Aussage der zuständigen Bezirksregierung in Münster können die Schulen die Aufgaben, die sie im Zentralabitur stellen müssen, erst einen Tag vor dem Prüfungstermin aus dem Netz herunterladen. Höchstmögliche Frist sind drei Tage - wenn die Prüfung auf einen Montag fällt. Im Fach Mathe können Lehrer zudem selbst entscheiden, welche der vorgegebenen Aufgaben sie ihren Schülern tatsächlich stellen.
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Das Treffen mit der Abiturientin war am Tag vor der Klausur. Der Mathelehrer hatte mit ihr in dem Café am Marler Stern über Prüfungsaufgaben gesprochen. Er habe ihr einen Teil einer Aufgabe verraten, angeblich "aus dem Kopf rekonstruiert"; Dass es sich um eine der Aufgaben handele, die sie anderntags tatsächlich in der Abiprüfung finde, habe er ihr nicht gesagt, erklärte der 58-Jährige in dem Prozess: Das sei "eine große Dummheit" gewesen, gestand er und erklärte: "Es war falsch und es tut mir sehr leid".
Lehrer war mehr als ein Jahr vom Dienst suspendiert
Ob ihm das seinen Beamtenstatus rettet, wird sich noch zeigen. Seit dem Vorfall war er vom Dienst suspendiert. Erst zum neuen Schuljahr wird er wieder als Lehrer arbeiten dürfen - allerdings an einer anderen Schule. Das Disziplinarverfahren war für den Prozess vor dem Amtsgericht ausgesetzt und wird nun wieder aufgenommen.
Möglicherweise geht es gut für den Lehrer aus, denn Amtsrichterin Nicola Brand sah von einer Freiheitsstrafe letztlich ab. Sie verhängte eine hohe Geldstrafe: 120 Tagessätze, insgesamt 7200 Euro. Das Strafgesetzbuch sieht für Geheimnisverrat auch Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahre vor. "Aber davon waren wir sehr weit entfernt", erklärt Richterin Brand auf Anfrage. Der Lehrer hatte "einen guten Leumund und ein hohes Ansehen in der Schule", berichtet Brand. Vorbestraft war er bis zu diesem Fall nicht. Das richtige Strafmaß zu finden, sei schwierig gewesen, sagt die Richterin: "Solche Fälle sind äußerst selten".
Abiturientin plagte ein schlechtes Gewissen
Dass das Treffen mit der Abiturientin überhaupt ein Nachspiel vor Gericht hatte, lag an der Schülerin selbst. Sie habe Gewissensbisse bekommen und ihrer Mutter von dem Treffen erzählt. Gemeinsam ging man dann zum Schulleiter. Die Matheklausur schrieb die Abiturientin schließlich ein paar Wochen später nach.
Warum der Lehrer ihr gegenüber so hilfsbereit gewesen sei, hatte Richterin Brand ebenfalls interessiert. Die Abiturientin habe ausgesagt, sie habe den Eindruck gehabt, der Lehrer hätte sich wohl noch etwas mehr von dem Treffen versprochen. Für das Urteil fiel die Aussage allerdings nicht mehr ins Gewicht. (dae/WE)