Düsseldorf. . Der Stein des Anstoßes heißt „GTR“ und ist ein grafikfähiger Edel-Taschenrechner. Er kann geometrische Figuren und Tabellen für den Matheunterricht darstellen, Lehrern soll dann mehr Zeit fürs Erklären bleiben. Bald wird der teure Rechner an den Schulen in NRW Pflicht. Zahlen müssen die Eltern.

Das Streitobjekt ist 250 Gramm schwer, batteriebetrieben und hat ein hochauflösendes Display. Nach den Sommerferien, ab dem Schuljahr 2014/15, gehört der grafikfähige Taschenrechner, GTR genannt, in die Tasche eines jeden Oberstufenschülers, so will es ein Erlass des NRW-Schulministeriums.

Umsonst gibt es den Edel-Rechner, der 2017 auch im Zentralabitur zum Einsatz kommen soll, nicht. 70 bis 90 Euro pro Gerät müssen die Eltern zahlen. „Oder mal eben das Doppelte“, schimpft eine Mutter, die in den nächsten zwei Jahre gleich zwei Kinder in der Oberstufe eines Duisburger Gymnasiums zu versorgen hat: „Macht das Ganze Sinn?“

Sogenannte „wissenschaftliche Taschenrechner“, kurz WTR genannt, benutzen Schüler im Matheunterricht für komplexe Rechnungen seit Jahren. Nachdem das Ministerium in Pilotschulen den Einsatz der grafikfähigen Rechner vor Jahren getestet hatte, kommt es nun zu der Erkenntnis, dass sie „den Mathematiklehrern eine erhebliche Erweiterung unterrichtlicher Möglichkeiten bieten“. Unter anderem würden die Grafikrechner „das Entdecken mathematischer Zusammenhänge fördern und Schüler entlasten“.

Test im Pilotprojekt

Dr. Heinzgerd Schott, Schulleiter des Konrad-Duden-Gymnasiums in Wesel, kann das unterstreichen. Bereits vor einem Jahr hat die Schule sich entschieden, in ihrer Oberstufe den Grafikrechner einzuführen. „Auch bei uns wurde zuvor diskutiert, waren die Eltern anfangs skeptisch!“ Die Investition für die rund 150 Schüler sei schließlich flächendeckend gezahlt worden, eine Handvoll Eltern habe dabei das Angebot genutzt, den Rechner in Raten abzuzahlen.

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Man habe da auch weiter in die Zukunft geschaut. Am Konrad-Duden-Gymnasium wird man demnächst zusätzlich eine Klasse mit Tablet-PCs ausstatten, mit denen man mathematische Programme herunterladen kann. Schott: „Da gibt es ja noch ganz andere Möglichkeiten – Wörterbücher für Sprachunterricht zum Beispiel“. Größtes Problem, Tablet-PC’s auch bei Klausuren zuzulassen, sei deren Möglichkeit, digitale Pfuschzettel vorzubereiten.

Nur einen Knopf drücken

Dagegen braucht man beim GTR nur einen Knopf zu drücken, um das Gerät in den Werkszustand zurückzuversetzen und jeden Täuschungsversuch zu unterbinden. Ansonsten hat der Weseler Mathematiklehrer Bertram Burgner festgestellt, dass durch den Einsatz des neuen Rechners „dem Verständnis mancher Schüler auf die Sprünge geholfen wird“.

Aufwendige Rechnungen oder das Erstellen von Graphen könnte schneller erledigt werden, der Schüler bekomme sofort einen visuellen Eindruck, es bleibe einfach mehr Zeit für die Analyse, so Burgner. Er könne Kritik verstehen, die sich an der zunehmenden Technisierung des Unterrichts entzünden würde, aber: „Der Matheunterricht hat sich ja auch enorm verändert. Er ist viel sachbezogener geworden. Wir untersuchen zum Beispiel das Wachsen einer Bakterienpopulation mit mathematischen Mitteln oder erstellen Statistiken.“ Die Arbeit mit Datenmengen werde durch die Rechner erleichtert.

Zu veralteter Technik zurück

Der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geht das aber nicht weit genug. Deren NRW-Vorsitzende Dorothea Schäfer, selbst Mathematiklehrerin, hat nichts gegen den Rechner, wohl aber gegen den Zwang, ihn flächendeckend einführen zu müssen, zumal dies „15 Jahre zu spät“ komme: „Es gibt Schulen, die mit Computereinsatz längst weiter sind, und die müssen nun zu einer an sich veralteten Technik zurück,“ sagt sie.

Schäfer stößt sich auch daran, dass GTR nicht wie Bücher unter die Lernmittelfreiheit fällt: „In Sachsen haben sich die Eltern dagegen gewehrt. Da gibt es den Rechner als Lernmittel umsonst.“ Übrigens seit 1996!

Baden-Württemberg dagegen, die den Rechner 2001 einführten, planen, ihn wieder abzuschaffen. Grund: Weil ständig verbesserte Geräte auf den Markt kommen, sei die Chancengleichheit der Schüler gefährdet. Nicht jeder kann sich dauern einen neues Gerät leisten.