Engagierte Bürger übernahmen die Pflege eines winzigen Gotteshauses in Oberscholven. Es trägt den Namen von Anna Selbdritt, der Oma von Jesus.
Sie ist über 150 Jahre alt, Generationen von Gläubigen haben in und vor ihr gebetet, aber der Standort der Oberscholvener Kapelle Anna Selbdritt an der Ecke Ulfkotter Straße/Fünfhäuserweg ist bedroht, wenn die BP-Norderweiterung tatsächlich umgesetzt wird. Doch bange machen gilt nicht – zumindest nicht für eine Gruppe engagierter Bürger, die sich vor einigen Wochen verabredeten, die Pflege des kleinen Gotteshauses zu übernehmen. Stephan Göllner, Rudolf Hörne, Johannes Fischer, Anna Rollfink, Michael Lorre sowie Magdalene, Torsten und Johannes Küperkoch sind es, die über das Internetportal www.gelsenkirchener-geschichten.de in Kontakt kamen und vereinbarten, der Kapelle zu neuem Glanz zu verhelfen. Sprich: Sie entfernten Äste der umstehenden Bäume, pflanzten einen Rosenstock, reinigten den Innenraum und setzten eine Glasscheibe ein, um ihn vor Witterung und Vandalismus zu schützen. Christian Hörne stiftete sogar eine selbstgebaute kleine Holzbank, die nun seit etwa einem Monat Gläubigen und Spaziergängern die Möglichkeit zu einer Rast bietet.
Ursprünglich beherbergte die Kapelle die aus dem 15. Jahrhundert stammende Holzfigur der Anna Selbdritt: eine Darstellung der heiligen Mutter Anna mit ihrer Tochter, der heiligen Mutter Maria, und dem Jesuskind. Nach einigen Vandalismusfällen und Diebstählen ist die Plastik – eine der ältesten Gelsenkirchens – mittlerweile in der katholischen St.-Josef-Kirche Scholven untergebracht.
Leer ist die Oberscholvener Kapelle allerdings auch heute nicht: Dort hängen eine Abbildung der Anna Selbsdritt, ein Kreuz sowie ein gerahmtes Bild von Bruder Jordan Mai. Dieser berühmteste Sohn der buerschen Bauernfamilie Mai (1866-1922) hatte als Franziskanermönch nach einem Tabernakel-Raub in der Dortmunder Klosterkirche 1922 prophezeit, „für diesen Gottesraub” innerhalb von vier Wochen sein Leben opfern zu wollen. Einen Monat später starb er tatsächlich. Seit 70 Jahren läuft im Vatikan ein Prozess zur Seligsprechung von Bruder Jordan Mai, der 1991 von Papst Johannes Paul II. zum „verehrungswürdigen Diener Gottes” ernannt wurde.
Die folgenden Generationen der Bauernfamilien Mai und Rohmann waren es auch, die die nahe liegende Kapelle in den folgenden Jahren pflegten, bis sie den Hof Mai verließen. In diese Fußstapfen treten nun die engagierten Scholvener und Bueraner, deren Einsatz am Samstag, 26. Juli, 15 Uhr, gewürdigt werden dürfte: An diesem Tag lädt die St.-Josef-Gemeinde mit Pastor Norbert Schroers zu einer Andacht an der Kapelle Anna Selbdritt ein. Dann kehrt die Statue auch vorübergehend an ihren alten Platz zurück.