Gelsenkirchen-Buer. .

Eigentlich wollte Heinrich Jüttner Grafiker werden. Jetzt ist seine Wohnung eine kleine Kunst-Ausstellung. Im Flur gibt es eine Regenbogenwand, im Wohnzimmer eine Skulptur aus einem Tannenbaum-Stamm. Das nächste Werk ist in Arbeit.

Wo man hinschaut, man sieht einen Regenbogen. Dicht an dicht hängen unzählige quadratische Objekte im kleinen Flur von Heinrich Jüttner. Sie sind unterschiedlich. Doch was sie eint, sind die neun Farben der bunten Spiegelung, die bei dem Künstler stets das Kürzel REBO tragen.

Ursprünglich hatte Heinrich Jüttner Grafiker werden wollen. „Aber mit mittlerer Reife kann man nun einmal nicht studieren.“ Das Arbeitsamt riet damals zu einer Ausbildung, nach welcher die fachgebundene Hochschulreife erteilt würde. Und so ging der gebürtige Niedersachse 1967 bei der buerschen Druckerei Krämer und Banker als Schriftsetzer in die Lehre. Gleich nach dem Wehrdienst hängte er die Meisterschule dran und war 1974, mit gerade noch 24 Jahren, einer der jüngsten Schriftsetzermeister überhaupt.

Fasziniert von der Klarheit der Formen

Schon während der Ausbildung entdeckte Heinrich Jüttner seine Liebe zum Bauhaus: „Zur Ausbildung gehörte das natürlich dazu.“ Der junge Mann war fasziniert von der Klarheit der Formen. „Ich finde mich da einfach wieder.“ Das Design forderte ihn heraus. Und bald entstanden erste Arbeiten, die in Form und Farbe auf die heutigen verweisen. Das Besondere: Heinrich Jüttner stellt unter Beweis, dass man alles über die Kunst einer neuen Bedeutung zuführen kann.

In einer Ecke des Wohnzimmers, gleich neben dem kleinen Fenster, hängt die erste Arbeit des Künstlers. Viele Querstreben, natürlich in den Farben des Regenbogens, wölben sich über den schwarzen Grund. „Das war mal eine Schreibtischjalousie. Früher gab es so etwas ja noch.“

In Scheiben gesägt, auf einen Stift gezogen

Auf der anderen Seite ragt eine kleine Holzskulptur über Büchern hervor. Es ist der Rest eines Tannenbaum-Stamms, der beim Einstielen dran glauben musste. Das Holz ist in Scheiben gesägt und auf einen Stift aufgezogen. Und dazwischen leuchtet buntes Papier in den Farben des Regenbogens.

Auch wenn die meisten Arbeiten des 61-Jährigen klein sind, er gestaltet immer wieder große Rauminstallationen. 1998 entstand die erste ganz zufällig im früheren Atelier der befreundeten Künstlerin Annegret Reichmann am Stadthafen. Eigentlich hatte Heinrich Jüttner die vielen kleinen Arbeiten nur einmal hängen wollen, um sie zu fotografieren: „Und als das alles hing, habe ich gedacht: Das kannst du auch zeigen.“ Kurzerhand druckte er Einladungen und lud zur Eintagesausstellung. Der Titel der Schau zwang sich fast auf: „Spontan“.

Mit viel Humor

Die Namen seiner Arbeiten sind bei Heinrich Jüttner immer etwas Besonderes. Verklausuliert berichten sie, um was es sich dabei handelt. So heißt die erste Arbeit, die der Erler für Werner Bibl gestaltete und die an dessen Haus an der Cranger Straße 36 zu sehen ist, „REBO-webiseima“. Ersteres Kürzel bezeichnet den Regenbogen, das zweite heißt aufgeschlüsselt „Werner Bibl seine Mauer“.

So grafisch die Arbeiten Heinrich Jüttners wirken, so viel Humor bringt er in ihnen unter. Wenn Gäste staunend vor seinen Arbeiten stehen, freut er sich, deren Geheimnis zu lüften. Er erzählt, dass die schöne Arbeit, die eine metallene Platte auf weißem Grund zeigt, durch welche man schaut und ein Farbenspiel beobachtet, von dem metallenen Topfuntersetzer von Aldi geprägt wird. Oder dass das Netz, in das er buntes Papier in kleinen Röllchen einsteckte, so dass die Anmutung vieler kleiner Blumen entsteht, als Trägermaterial ein Gitter aus dem Flugzeugbau beinhaltet.

Die Betrachter hinters Licht geführt

Aktuell führt Heinrich Jüttner die Betrachter seiner Arbeiten gar hinters Licht. Zumindest spielt er mit eben diesem, wenn er immer wieder kleine und große Objekte auf weißen Grund bringt, an deren Rückseite Papierstreifen in den Farben des Regenbogens geklebt sind. Bei richtigem Licht reflektiert die Farbe und ruft im Betrachter die Frage hervor, wo dieser Regenbogen bloß her kommt.

Und wieder tüftelt Heinrich Jüttner an neuen Clous. „Ich habe jetzt eine solche Arbeit, die von zwei Seiten zu sehen ist. Und mein Bestreben ist, mit diesen Reflexionen weiter zu experimentieren“, sagt der Künstler, der sich demnächst einer weiteren großen Aufgabe widmen will. „Ich möchte das aufarbeiten, was sich im Atelier angesammelt hat“, hat er sich vorgenommen.