Gelsenkirchen-Beckhausen. Die Firma von Tu Linh Meronk aus Gelsenkirchen-Beckhausen fertigt filigrane 3-D-Kunstwerke. Neu ist eine Liebeserklärung an Gelsenkirchen.
Briefe schreiben oder Karten? Und dann auch noch per Hand? Was manchem wie ein Relikt aus analogen Zeiten anmuten mag, das ist die große Leidenschaft von Tu Linh Meronk – und Basis der Geschäftsidee ihres Familienunternehmens „Lin ArtDesign“ mit Sitz in Beckhausen. Die 35-Jährige plant und entwirft die Motive für dreidimensionale Pop-up-Karten, die in ihrer einstigen Heimat Vietnam fair produziert und international verkauft werden. Mit Erfolg: Die Diplom-Kauffrau hat es nicht bereut, für die filigranen Kunstwerke ihren Traum als Investment-Bankerin aufgegeben zu haben.
Wer in den verwinkelten Präsentationsräumen von Lin ArtDesign an der Kampstraße steht, der bekommt einen Eindruck davon, wie weit die Karten Tu Linh Meronk tragen: Hier reckt eine papierne Freiheitsstatue von New York die Fackel selbstbewusst in den Himmel, dort zieht der Kölner Dom die Blicke auf seine imposante Architektur, ein Regal weiter fallen ein knallroter Londoner Doppeldecker-Bus samt Telefonzelle ins Auge.
Zollverein im handlich-klappbaren Mini-Format zum Verschicken
„Ich komme schon viel rum“, erzählt die verheiratete Mutter eines siebenjährigen Sohnes lachend, die seit 2002 in Deutschland lebt. „Denn natürlich muss ich mir die Motive vor Ort anschauen und Fotos machen, damit die Details stimmen“, sagt sie und berührt vorsichtig den braun-roten Förderturm der Zeche Zollverein in Essen, der exakt wie das Original aussieht – nur eben im handlich-klappbaren Mini-Format zum Verschicken.
Diese Originaltreue, sie ist das Markenzeichen aller 300 Motive der Beckhausenerin. Ob nun besondere Anlässe wie Hochzeit, Geburt und Taufe, Hobbys wie Radeln, Basket- und Fußball oder die Liebe zur Natur: Beim Aufklappen öffnet sich eine faszinierende Welt aus Papier, deren winzige Aussparungen, Rundungen und Kanten Staunen machen. Da ist etwa, passend zu Weihnachten, eine Krippe mit heiliger Familie, über deren Stall ein zerbrechlich wirkender Stern von Betlehem aufgeht; oder ein Santa Claus, der samt Geschenken im Kamin verschwindet.
„Man muss ausprobieren, wie die Elemente angeordnet werden müssen“
Jüngste Neuheit ist eine Gelsenkirchen-Karte mit den markanten Silhouetten von Himmelstreppe auf der Rheinelbe-Halde, Rathaus Buer, St.-Urbanus-Kirche, Arena, Zeche Nordstern, Doppelbogen-Brücke aus dem Nordsternpark, Kohlenlore und einem Bergmann samt Kopflampe. „Die Idee dazu hatte Dirk Niewöhner von der Buchhandlung Kottmann, die viele meiner Karten vertreibt. Er hat auch Vorschläge für die lokalen Motive gemacht“, berichtet die 35-Jährige nach drei Monaten Entwicklungszeit.
Während sie die Details vorgab, waren es wie auch sonst ihr Bruder beziehungsweise einer der drei weiteren Designer, die die Umsetzung besorgten. „Man muss ausprobieren, wie die einzelnen Elemente angeordnet werden müssen, ob nun im 90- oder 180-Grad-Winkel, damit das Objekt beim Entfalten seine ganze Pracht entfaltet. Das dauert.“
„Unsere Beschäftigten arbeiten unter fairen Bedingungen“
Gefertigt wurde die Karte wie auch die übrigen in der Werkstatt des Unternehmens im vietnamesischen Hanoi, wo 20 speziell geschulte Frauen die per Laser ausgeschnittenen Einzelteile von Hand falzen, zusammenstecken und vernähen – beim Kölner Dom etwa sind es 36. „Je nach Komplexität des Motivs und Routine der Mitarbeiter dauert es pro Exemplar zwischen 30 und 60 Minuten.“
Was ihr wichtig ist: „Bei uns sind keine Kinder tätig. Unsere Beschäftigten arbeiten unter fairen Bedingungen, sie sind krankenversichert und erhalten ein ordentliches Gehalt, um davon ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.“ Für die Produktion der filigranen Werke geeignet sei freilich nicht jeder. „Generell haben Frauen bisher mehr Talent dazu als Männer. Man braucht Geduld und handwerkliches Geschick.“ Die Karten in Deutschland produzieren zu lassen, sei „unbezahlbar“.
Unbezahlbar im positiven Sinn ist für sie hingegen die Bestätigung, die sie bei vielen Kunden für ihre Arbeit erfährt. „Wenn jemand in trauriger Stimmung eine Karte öffnet und ein Garten mit Sommerblumen zum Vorschein kommt, geht ein Lächeln über sein Gesicht. Schön, wenn unsere Karten nicht nur mich glücklich machen, sondern auch die, für die sie bestimmt sind.“