Gelsenkirchen-Resse. Freitags ist Abholtag auf dem Hof der Solidarischen Landwirtschaft Schulze-Schleithof. Anteilseigner versorgen sich dann mit Gemüse und Milch.

„Ich hole mir meinen erwirtschafteten Anteil ab. Das ist etwas ganz anderes als einzukaufen: völlig losgelöst von Geld.“ Annegret Wehner hat eine große Kiste dabei. Mit ihr dreht sie eine Runde durch die Abholstation der solidarischen Landwirtschaft auf dem Resser Lindenhof – vorbei an einer Menge Roter Beete, zahlreichen kleinen Salaten, großen, gelben Zucchini. Jeden Freitag kommt sie mit ihrem Mann her. Dann wird geschaut, was es gibt und was man mitnimmt. Erst danach kann der Speiseplan für das Wochenende entstehen.

„Wir wollten heute zum Metzger gehen. Da sagte mein Mann, lass uns warten und erst auf dem Hof nachschauen.“ Wobei Anteilseigner ein bisschen vorbereitet würden. „Wir erhalten mittwochs den Hofbrief. Da steht drin, was es voraussichtlich geben wird.“ Annegret Wehner ist mit ihrer Kiste in der Reihe angekommen, wo Gemüse liegt, das zur freien Verfügung steht. Es ist entweder reichlich vorhanden oder, wie die Kohlrabi am Ende der Reihe, Ausschussware. Die kommt hier natürlich nicht in die Tonne. Wer mitmacht bei einem solchen Projekt, denkt und lebt schließlich nachhaltig. So gut es geht.

Wie reif sind die Gurken? Solawi-Mitglied Derya Cimen (l.) sowie Mitglied und Mitarbeiterin Lena Kurth begutachten die beliebte Salat-Zutat im Gewächshaus.
Wie reif sind die Gurken? Solawi-Mitglied Derya Cimen (l.) sowie Mitglied und Mitarbeiterin Lena Kurth begutachten die beliebte Salat-Zutat im Gewächshaus. © Funke Foto Services GmbH | Foto: Joachim Kleine-Büning

Wem die Anteile zu groß sind, geht Gemüse-Ehen ein

„Bevor wir das wegwerfen, ist es doch besser, wir stellen die hin und jeder kann sich bedienen“, sagt Stefanie Schulze-Schleithoff vom Lindenhof. Dabei zeigt sie die Kohlrabi, die entweder sehr klein oder etwas beschädigt sind. Zu Hause hätte man die kleinen vielleicht einfach noch etwas stehen lassen. Im großen Format sei das schwierig, würden die Felder schon für das nächste Gemüse gebraucht.

Dann erklärt Stefanie Schulze Schleithoff kurz, was genau es diese Woche gibt: „Entweder eine Salatgurke oder zwei Kohlraben. Entweder eine Landgurke oder eine Zucchini. Einen Salat, eine Rote Beete, drei Zwiebeln und gut ein Kilo Kartoffeln.“ Eine Menge, die jemandem, der täglich und viel Gemüse isst, eher wenig erscheint. „Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Leute unterschiedlich viel Gemüse essen.“ So gebe es etliche Anteilseigner, denen die Menge zu groß sei. „Dann vermittle ich Gemüse-Ehen.“ Soll heißen, zwei Parteien teilen sich einen Anteil, indem jeder nur alle zwei Wochen kommt. „So unterschiedlich ist es auch beim Fleisch.“ Das werde nur alle sechs bis acht Wochen ausgegeben. „Dann fahren wir zur Schlachterei und teilen das dort direkt ein. Es muss ja für alle reichen. Und teilen sie mal fünf Schweine für 80 Leute auf.“

Anstoß zu nachhaltigerer Ernährung

Überhaupt sei die Teilnahme an der solidarischen Landwirtschaft für viele Menschen Anstoß, das Leben zu verändern. „Es gibt natürlich die, die schnell kapitulieren. Und dann gibt es die, die sich einlassen und Ernährung ganz neu entdecken“, sagt Stefanie Schulze Schleithoff. Annegret Wehner weiß, wovon die „Solawi“-Betreiberin redet. „Man lernt wieder zu konservieren. Wir machen zum Beispiel Sauerkraut selbst und wecken einiges ein. Man muss sich ja einen Wintervorrat anschaffen.“

Betreiberin Stephanie Schulze-Schleithoff (2. v. r.) informiert Kundin Annegret Wehner (r.) über ihren Ernteanteil. Rezepte gibt’s oft von anderen Kunden und auf der Internetseite.
Betreiberin Stephanie Schulze-Schleithoff (2. v. r.) informiert Kundin Annegret Wehner (r.) über ihren Ernteanteil. Rezepte gibt’s oft von anderen Kunden und auf der Internetseite. © Funke Foto Services GmbH | Foto: Joachim Kleine-Büning

Auf Rezepte aus früheren Zeiten besinnen sich die Wehners auch in der Verwendung ihres Milchanteils. „Wir machen Joghurt selbst“, erzählt Gerd Wehner. Und mehr noch: „Aus dieser Milch kann man wieder Dickmilch machen.“ So naturbelassen sei die. Mit allen Vor- und Nachteilen. „Am Dienstag muss man schon mit der Verarbeitung fertig sein. Sonst wird das nichts mehr.“ Joghurt und Dickmilch reichen dann aber bis zum nächsten Abholtag.

Was reif ist, muss verwertet werden

Ebenso gilt: Die Abnehmer müssen verwerten, was gerade reif ist. Das beschere einem manch kulinarische Überraschung. So erging es auch einer jungen Frau, die gerade Gemüse in ihr Körbchen packt. Ihren Namen mag sie nicht nennen, dafür aber, dass sie die Zeit als Anteilseignerin auf so manch einen Geschmack gebracht hat: „Man lernt Neues kennen und muss überlegen, was man damit macht. Bei mir war das so mit den dicken Bohnen. Die hatte ich noch nie gegessen.“ Und? „Die waren toll und dazu auch noch ganz einfach zu kochen.“