Gelsenkirchen-Buer. . Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat den Berufsalltag verändert, sagen Propst Markus Pottbäcker und Pastor Bernd Steinrötter.
„Wir stehen für eine Kirche, die diesen unglaublichen Missbrauch von Vertrauen begangen hat“, sagt Propst Markus Pottbäcker. Wie sein Amtskollege Bernd Steinrötter ist er bis heute fassungslos bei jedem einzelnen Fall von Missbrauch durch die katholische Kirche. Beide Geistlichen leiden unter den Folgen – jeden Tag und in vielen beruflichen Situationen.
Pauschalurteile verändern das Berufsbild
Das Misstrauen vieler Menschen ist zur Regel geworden. Bernd Steinrötter war auch schon mit Pauschalurteilen konfrontiert, alle Priester vergingen sich ohnehin an Kindern. Das hat etwas gemacht mit beiden – und das Berufsbild verändert.
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„Es gibt verschiedene Situationen, in denen uns der Wind stark ins Gesicht bläst, wo wir Anfeindungen erleben, Vertrauen verloren haben. Das merken wir sehr, wenn wir mit Kindern arbeiten“, sagt Bernd Steinrötter. Der Propst liefert ergänzend konkrete Beispiele: „Ich bin früher mit Jugendgruppen ins Zeltlager mitgefahren, habe mit 14-jährigen Jungs in einem Zelt geschlafen. Das ist heute unvorstellbar. Beichtsituationen mit Kindern kann ich mir auch nicht mehr vorstellen.“
Er sei gehemmt. „Wenn ich in einen Kindergarten komme und die Kinder umarmen mich, das ist schön, aber schwierig.“ Immer wieder, sagen beide, erlebten sie einen gewissen Argwohn. „Ich kann das auch verstehen. Ich würde genauso denken“, so Pottbäcker.
Erhöhte Sensibilität
Beide seien sie auch anderen Kirchenmitarbeitern gegenüber sensibler geworden. Durch Geschehenes in der Ferne und Erfahrungen im erweiterten eigenen Umfeld. „Das ist dann auch eine wahnsinnige persönliche Enttäuschung. Da kennt man jemanden zwanzig Jahre und merkt, man kann den Menschen nur vor den Kopf schauen“, so Steinrötter. Dabei spürt man deutlich, wie präsent und bewegend das Thema für beide Geistlichen ist.
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Die Prävention und ebenso die Verfolgung eventueller Straftaten seien das Gebot der Stunde. Auch im Bistum Essen. „Da gibt es mittlerweile verschiedene Beschwerdewege“, erklärt der Propst, der in St. Urbanus für alle weltlichen Mitarbeiter verantwortlich ist. Bei einem Verdacht würde er gleich handeln, sagt er. „Ich würde sofort eine Beurlaubung aussprechen und auch ein Verfahren daraus machen – kirchlich wie staatsanwaltlich.“
Aufarbeitung ist wichtig
Gleichsam, da sind sich beide einig, sei die Aufarbeitung lange zurück liegender Fälle wichtig. Auch weil viele erst jetzt ans Licht kommen. „Früher hatten geistliche Würdenträger einen so hohen Stellenwert, da sagte man, das kann sicht sein, die machen das nicht“, meint Pottbäcker. Für die Opfer sei das ein Hohn gewesen.
Anlaufstelle für Missbrauchsopfer im Bistum
Im Bistum Essen begegnet man dem Thema Missbrauch auf zwei Ebenen. Besonders wichtig ist dabei natürlich die Prävention. Da, so der Propst, tue man, was man könne, um künftig jegliche Form von Missbrauch zu verhindern.
Gleichsam gibt es eine Anlaufstelle für Missbrauchsopfer im Bistum Essen. Die Bischöfliche Beauftragte für die Prüfung von Vorwürfen sexualisierter Gewalt, Angelika von Schenk-Wilms, ist erreichbar unter 0151/571 500 84.
Das Schwierige an der aktuellen Situation sei aber auch, dass die katholische Kirche sich schwer tue, ihre Rolle als moralische Instanz im Lande auszuüben. „Ich glaube schon, wir hätten in Sachen Moral etwas zu sagen in diesen gesellschaftlich unruhigen Zeiten“, so der Propst. Das aber sei kaum möglich.
Ob man denn überhaupt verlorenes Vertrauen zurück gewinnen könne? „In dem Kreis, wo ich lebe, glaube ich, kann mir das gelingen.“ So sieht es auch Bernd Steinrötter. „Man hat das Vertrauen nicht mehr qua Amt. Das geht nicht mehr durch die Institution, nicht durch die Funktion, nur durch die Person. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.“ – „Wir baden jetzt aus, was vor unserer Zeit passiert ist. Aber dem müssen wir uns stellen“, so Propst Markus Pottbäcker. Er stellt noch einmal ganz klar: „Wir, als katholische Kirche, haben Vertrauen so extrem verspielt, dass wir jetzt keinen für sein Misstrauen anklagen dürfen.“