Gelsenkirchen-Buer. . Vor einem Jahr stellte die WAZ den syrischen Arzt Shadi Adra und seine Familie vor. Seither arbeitet er daran, in Gelsenkirchen arbeiten zu können.

„Man dreht sich im Kreis“, sagt Shadi Adra. Er sitzt auf dem Sofa, vor sich eine Tasse mit Kaffee. Die umfährt er mit dem Finger im Kreis während er spricht. Anderthalb Jahre ist es her, da kam er mit seiner Familie nach Horst. Seither versucht der Syrer anzukommen, das neue Land kennenzulernen. Das erste, womit er Bekanntschaft machte, war die Bürokratie.

Der Mann aus Damaskus ist gelernter Arzt, arbeitete in der Heimat in einem Militärkrankenhaus. Dabei geriet er zwischen die Fronten, weil er allen half, auch den Gegnern von Machthaber Assat. Jetzt will er wieder als Arzt arbeiten, hier, in Deutschland. Erste Voraussetzung: ein Deutschkurs. Das lief ganz gut. Ein Zertifikat hat Shadi Adra schon. Jetzt stünde die Prüfung für das nächste an. Gerne möchte der 37-Jährige an einer Schnell-Akademie für Ärzte weiter lernen. Nicht ganz einfach, denn dort kostet die Sprachprüfung mehr Geld. Das kann und will das Arbeitsamt nicht zahlen. Für Shadi Adra wäre die Akademie aber eine Hoffnung. „Da würde ich auch Fachdeutsch lernen.“

Acht Jahre als Chirurg in Syrien gearbeitet

Im zweiten Teil der Ausbildung werde auch medizinisches Wissen vermittelt. Zwar habe er acht Jahre in Syrien als Chirurg gearbeitet, sich dort aber nicht spezialisieren müssen. Überhaupt würde er jeden Job annehmen. „Ich habe einen Kollegen, der ist Augenarzt gewesen. Jetzt ist er als Kinderarzt tätig, weil er keine andere Stelle gefunden hat.“

Aufmerksam verfolgt er das Schicksal der Kollegen. Allein 32 syrische Ärzte sind hier in Gelsenkirchen gelandet. Sie alle haben Probleme, vor allem mit dem Spracherwerb. Der Familienvater will die Hoffnung aber nicht aufgeben. „Ich möchte im nächsten Jahr soweit sein, Bewerbungen schreiben zu können.“ Schon der beiden Töchter Sella und Amal wegen. Sie will er selbst versorgen können, er will auf eigenen Füßen stehen. Er will ankommen in Deutschland. So richtig.

Mädchen besuchen bereits den Kindergarten

Immerhin gehen die Mädchen mittlerweile in den Kindergarten, sprechen recht gut Deutsch. Das zumindest sagt Mutter Maram Hassan. Wirklich gesprächig sind die Kleinen angesichts der Fremden im Wohnzimmer nämlich nicht.

Maram Hassam gibt sich viel Mühe. „Ich gehe mit den Kindern in die Bibliothek. Da leihen wir deutsche Bücher aus. Und wir haben die Leiterin, Jutta Schwichtenberg, kennengelernt. Sie unterrichtet uns“, sagt sie, die in ihrer Heimat Mathematik studierte, eine Uni-Laufbahn vor sich hatte und jetzt vom Lehrermangel in Deutschland zu profitieren hofft. „Ich habe von einem sechsmonatigen Lehrgang gehört an der Uni Bochum. Ich warte noch bis zum nächsten Jahr. Da gehen die Kinder länger in den Kindergarten und ich habe Zeit zum Lernen.“

Deutsche Freunde gesucht

Insgesamt blickt die Familie optimistisch in die Zukunft. In eine in Gelsenkirchen. Im letzten Jahr noch hatte Shadi Adra strahlend gesagt: „The Heimat is the best.“ Darauf angesprochen ist er verhalten. So lange sich die politischen Verhältnisse nicht änderten, könne er nicht zurück. Also gestalten die vier Syrer ihr Leben weiter hier. Sicher, aller Anfang ist schwer. Aber sie wollen dran bleiben, vielleicht mehr Menschen treffen. Der Freundeskreis ist nach wie vor überschaubar. „Wir haben zwei syrische Familien kennengelernt.“

Und deutsche Freunde? „Wir möchten das gern“, sagt Shadi Adra. Dann überrascht seine Frau: „Aber es gibt so wenige. Im Kindergarten treffe ich viele Türken, Araber – Deutsche aber nicht so viele.“