gelsenkirchen-horst. . Hoch emotional nahmen die Bezirksverordneten in West die Vivawest-Vertreter ins Kreuzverhör: Die Horster kämpfen gegen einen möglichen Abriss.

„Erschüttert“, „geladen“, „zu Tode betrübt“: Die Wellen der Emotionen schlugen gestern hoch bei den Mitgliedern der Bezirksvertretung West, als es um einen möglichen Abriss des historischen Waagehauses auf dem früheren Galopprennbahn-Gelände in Horst ging. Die Vertreter von Immobilien-Eigentümer Vivawest jedenfalls, die für einen Sachstandsbericht erschienen waren, nahmen sie resolut ins Kreuzverhör. Jede Menge Ideen präsentierten die Politiker aber auch – vom Vorschlag, nur die Fassade zu erhalten bis hin zu einer Initiative, das Gebäude als Stadtteiltreff zu nutzen.

Die Immobilie aus wirtschaftlichen Gründen niederzulegen, um an gleicher Stelle einen Neubau für einen dreigruppigen Kindergarten zu errichten: Diese Erwägung von Vivawest lehnten die Verordneten über alle Parteigrenzen hinweg ab. „Das Waagehaus ist das Schmuckkästchen von Horst, das als letztes Zeugnis an die glorreichen Zeiten der Galopprennbahn erinnert“, begründete Bezirksbürgermeister Joachim Gill.

„Wir haben alle Schäden regelmäßig beseitigt“

Vivawest-Bereichsleiter Ludger Wiesemann mühte sich derweil, die Politiker vom Engagement für die Erhaltung des Gebäudes zu überzeugen. Seit der Übernahme von der GGW 2008 habe das Unternehmen knapp 380 000 Euro in eine Teilsanierung des Innern und in ein neues Dach investiert. „Wir haben uns immer wieder bemüht, eine Folgenutzung zu finden; alle Vandalismus- und Wasserschäden wurden regelmäßig beseitigt.“

Das Waagehaus in Abstimmung mit der Stadt als Kita zu nutzen – im Gespräch sei dafür das Kinderhaus Rasselbande – sei zuletzt aber durch einen massiven Wasserschaden im Sommer 2016 erschwert worden. Kurz: Der Neubau wäre günstiger als der Umbau.

Vivawest-Sprecher: „Haus ist Herzensangelegenheit“

Äußerte sich „geladen“ angesichts des drohenden Abrisses des Waagehauses: Bezirksverordneter Mirco Kranefeld (Grüne).
Äußerte sich „geladen“ angesichts des drohenden Abrisses des Waagehauses: Bezirksverordneter Mirco Kranefeld (Grüne). © VON STAEGMANN, Lutz

So stellte sich für Mirco Kranefeld (Grüne) die Frage, „ob das Unternehmen das Gebäude überhaupt retten will und seine Verantwortung wirklich ernst nimmt.“ Dem „Einruck, wir hätten das Haus bewusst verwahrlosen lassen“, widersprach Vivawest-Sprecher Fabian Grothues vehement. „Natürlich ist nicht alles sauber gelaufen, weil es uns in zehn Jahren nicht gelungen ist, eine Folgenutzung zu entwickeln. Aber das Haus ist auch für uns eine Herzensangelegenheit. Wir verstehen uns als gute Nachbarn in Horst.“

Es war Udo Gerlach, Sprecher der SPD-Fraktion, der mahnte: „Wir können nicht fordern, sondern nur bitten.“ Auch Stadtbaurat Martin Harter war bestrebt, die Wogen zu glätten, indem er die Bereitschaft von Vivawest zum Dialog lobte. Außerdem „muss nicht jeder Backstein zwingend dort bleiben, wo er mal war“. Dem Unternehmen sei nicht zuzumuten, mit dem Gebäude auf lange Sicht rote Zahlen zu schreiben, zumal es die Kriterien für ein Denkmal nicht erfülle.

Bezirksbürgermeister schlägt Workshop vor

Plädiert für einen Workshop, um Ideen für eine Nutzung zu entwickeln: Bezirksbürgermeister Joachim Gill (SPD).
Plädiert für einen Workshop, um Ideen für eine Nutzung zu entwickeln: Bezirksbürgermeister Joachim Gill (SPD). © VON STAEGMANN, Lutz

Während Kevin Gareth Hauer (ProNRW) daraufhin vorschlug, „nur die Frontfassade stehen zu lassen und dahinter etwas Neues zu bauen“, stellte Tomas Grohé (Die Linke) die Initiative „Stadtteil-Treff Waagehaus“ des Runden Tisches Horst vor (die WAZ kommt darauf noch zurück). „Das Gebäude sollte mehr sein als nur ein Kindergarten und allen Horstern zur Verfügung stehen.“ Einen Workshop mit den Bezirksverordneten zur Entwicklung neuer Ideen regte Bezirksbürgermeister Gill an; einen Neubau unter Beibehaltung der Fassade lehnte er wie CDU-Fraktionssprecher Franz-Josef Berghorn ab.

Der Vivawest-Sprecher kündigte schließlich an, „alle Ideen zu bündeln und in den Dialog aufzunehmen“, einen Termin dafür mochte er jedoch nicht nennen. Sein Kollege Wiesemann versprach derweil, das Waagehaus „öfter zu überprüfen und sensibler mit dem Thema umzugehen als bisher“.