Gelsenkirchen. An der Valentinstraße in Gelsenkirchen-Hassel hat die Verwaltung Stacheldraht spannen lassen. Pächter kommen nun nicht mehr auf ihre Ökokonto-Gelände.

Noch ist die Zufahrt zu erkennen. Nicht versteckt, die Fahrspuren von Autos haben sich weit sichtbar in den Rasen gegraben. Doch ein neues Tor verhindert die Durchfahrt. Die Stadt hat es in der vergangenen Woche aufstellen lassen und damit Familie Vahlkamp die Zufahrt zu ihrem Grabeland in Hassel kurzerhand abgegraben.

Seit 1937 beackert Familie Vahlkamp das Land nördlich der Valentinstraße. Inzwischen in der dritten Generation. „Auf 2600 Quadratmetern bauen wir heute Obst und Gemüse an“, sagt Wilhelm-Matthias Vahlkamp. Für das Land zahlt die Familie 44 Cent pro Quadratmeter Pacht an die Stadt. Und die hat der Familie jetzt die Zufahrt mit einem Tor und Stacheldraht gekappt.

Hilfe bei der Politik gesucht

Die Begründung: Vor zwei Jahren hat die Stadt das Land zwischen Valentinstraße und den insgesamt zwölf Grabelandflächen zum Ökokonto erklärt, es unter besonderen Schutz gestellt, weil man an einer anderen Stelle im Stadtgebiet Flächen versiegelt hat.

Diese Argumentation wollte Wilhelm-Matthias Vahlkamp so nicht akzeptieren. Auch weil die Stadt sämtliche Zufahrtwege im Rahmen der Umgestaltung des Gebietes zwischen Bahnhof Hassel und den Grabelandflächen mit Pöllern versperrt hat. Vahlkamp wandte sich Hilfe suchend an Bezirksbürgermeister Thomas Klasmann (SPD). Dieser lud den Freizeit-Gärtner in die Bezirksvertretung ein, wo er der Politik seinen Ärger erklären sollte.

Konfrontation statt Kuschelkurs

Tat er auch, erntete aber wenig Verständnis und erklärte zum Schluss etwas irritiert: „Ich bin nicht zufrieden, bis jetzt“. Vorher hatte ihm Werner Ebel, Abteilungsleiter im Referat Bauen und Liegenschaften bei der Stadt, erklärt: „Ein Grabeland braucht keine Zufahrt.“

Und Thomas Klasmann klang etwas entnervt, als er verkündete: „Die Zufahrt ist für alle Pächter nicht mehr möglich. Wir können die Verwaltung auch auffordern, den Zugang in die Grabeländer komplett zu verschließen.“ Konfrontation statt Kuschelkurs mit dem Wähler. Dabei hat Vahlkamp durchaus Mitstreiter. Heimatforscher Egon Kopatz zum Beispiel.

Zuchthäuschen für Seidenraupen

In einem interkommunalen Projekt in Kooperation mit der Martin-Luther-Schule in Westerholt und der Sekundarschule am Eppmannsweg möchte Kopatz auf dem Gelände der Grabeländer ein Zuchthäuschen für Seidenraupen reaktivieren. Hört sich schräg an? Nein, ist sogar historisch begründet. Denn 1937 habe dort auch Vahlkamps Opa eine Seidenzucht betrieben. „Die Kokons aus Hassel wurden nach Celle zur Weiterverarbeitung geschickt“, weiß Egon Kopatz. „Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurden sie zu Fallschirmen verarbeitet“.

„Es ist abträglich, wenn dort alles mit Draht verspannt ist“, sagt Kopatz. Er werde intervenieren, dass die Zufahrt frei bleibt. In Kopatz Augen „stellt sich die Verwaltung stur. Sie sollte für die Bürger da sein und nicht gegen sie arbeiten“, schimpft er.