Essen. .
Der Neuanfang auf der Zeche Carl schreitet voran. Mit „We Are Scientists“ und „Panteon Rococo“ will das soziokulturelle Zentrum den Sprung zurück zu seinen Wurzeln schaffen. Dafür wurde Veranstalter Marcus Kalbitzer mit ins Boot geholt.
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Wehmut - das ist wohl der erste Gedanke, der vielen Musikfans beim Gedanken an die Zeche Carl in den Sinn kommt. Bis Mitte der 90er Jahre war das Industriegelände in Altenessen die Top-Adresse für akustische Geheimtipps, die später die gesamte Musiklandschaft beeinflussen sollten: Oasis, Bad Religion, Kreator - wer sein Ohr abseits des Mainstreams offen hielt, für den war die Wilhelm-Nieswandt-Allee 100 ein zweites Zuhause. Mit den schweren Zerwürfnissen innerhalb des betreibenden Vereins, die schlussendlich in der Insolvenz endeten, standen die Verantwortlichen 2008 vor einem Trümmerhaufen. Mit Gründung einer neuen GmbH und Berufung der neuen Geschäftsführerin Kornelia Vossebein wurde im vergangenen Jahr der Grundstein für den Neuanfang gelegt.
Um den weiter voranzutreiben, hat sich das soziokulturelle Zentrum Anfang September Marcus Kalbitzer ins Boot geholt. Der Konzertveranstalter prägt die Essener Szene seit seiner Studienzeit, holte Tocotronic ins JZE, initiierte Konzerte im KKC und in der „Roten Liebe“ in Rüttenscheid. Mittlerweile unterstützt er mit seiner „Kulturzentrale“ unter anderem das Pfingst-Openair in Werden und das Traumzeitfestival in Duisburg. Sein erklärtes Ziel: Er möchte die „alte Dame“ Zeche Carl neu einkleiden. Mit dem Herbstprogramm ist sie auf einem guten Weg. Mit der Indie-Formation We are Scientists aus Brooklyn, der mexikanischen Latin- Ska/Mestizo-Band Panteon Rococo sind nur zwei Bands zu nennen, mit denen die Zeche Carl den Sprung zurück zu den Wurzeln schaffen will.
„Unser Ansatz kann nur Vielfalt sein“
Dabei soll sich das unter Denkmalschutz stehende Gebäude keinesfalls zu einem „Rockschuppen“ entwickeln. „Unser Ansatz kann nur Vielfalt sein. Mit Musikern wie Pohlmann treffen wir auch den breiteren Geschmack“, sagt Kalbitzer. Kabarett und Lesungen tragen ebenfalls die Handschrift des soziokulturellen Zentrums von einst: Mit Käthe Lachmann, Jan Weiler und der „Titanic Boygroup“, einer Abordnung des gleichnamigen Satire-Magazins, hat die Zeche Künstler und Autoren verpflichtet, die für gesellschaftskritischen Humor stehen.
Gemeinsam mit dem Team der Zeche möchte Kalbitzer eine „kreative Keimzelle“ bilden, die auch Nachwuchsbands aus Essen und der Region eine Plattform bietet. Der Herausforderung ist sich der 39-Jährige bewusst. Schließlich sind die Zeiten, in denen ein Veranstaltungsort ausschließlich durch ein handverlesenes Programm, Mund-zu-Mund-Propaganda und selbstgebastelte Flyer bekannt wurde, lange vorbei. Deswegen werkelt Kalbitzer gemeinsam mit Vossebein und ihrem Team zurzeit auch an einem neuen Internetauftritt und einer optimierten Öffentlichkeitsarbeit. „Man muss immer neue Wege finden, um lauter zu schreien als die anderen. Dann können wir uns auch vor der gewachsenen Konkurrenz behaupten“, ist Kalbitzer überzeugt.
Nicht zuletzt haftet dem „Prototyp des Strukturwandels“ - Carl war die erste Zeche, die sich nach der Stilllegung für Kultur öffneten - noch immer ein einzigartiges Image an. „Polierten Chrom und stylische Lounges wird es hier nie geben. Das würde den Charme zerstören“, macht Kornelia Vossebein deutlich. Neben den Konzerten sieht sie vor allem in dem gesellschaftlichen Engagement für den Stadtteil einen wichtigen Eckpfeiler des Gesamt-Konzepts. „Carl war immer eng mit Altenessen verwurzelt. Dieses Engagement wollen wir stärken“, verspricht sie.