Essen. . Nach zähem Start brachten Annenmaykantereit die Fans in der ausverkauften Zeche Carl in Wallung. Heimlicher Star war ein schüchterner Trompeter.

Der Funke springt spät über zwischen Annenmaykantereit und dem Publikum in der ausverkauften Zeche Carl. Dann aber zündet er heftig. So, dass ein weiblicher Fan hingerissen dem Frontmann Henning May zuruft: „Ich will ein Enkelkind von dir!“ Der Sound der Kölner gefällt eben auch potenziellen Schwiegermüttern.

Neben Mays markant rauer Stimme ist es die musikalische Virtuosität, die am Sonntagabend beeindruckt. So spielt sich der ehemalige Schulkumpel und Trompeter Ferdi Schwarz mit mehreren Gast-Soli und schüchtern erröteten Wangen schnell in die Herzen der rund 500 Besucher. Die bekommen auch darüber hinaus instrumental weit mehr als die klassische Band-Besetzung geboten: Da greift May mal zu Melodica und Piano, tauscht Severin Kantereit am Ende sein Schlagzeug gegen Congas und spielt parallel dazu Synth-Loops ein. Das alles wirkt perfekt durchorchestriert – was die Band gerade in der ersten Hälfte des Konzerts aber auch etwas unnahbar wirken lässt.

Songs von gebrochenen Herzen und Einsamkeit

May singt von enttäuschter Liebe, Einsamkeit und zu viel Ungesagtem. Durchleidet jede Zeile nochmal mit, wenn er sie mit Rauchstimme ins Mikro haucht. So oft kann diesem 27-Jährigen doch noch gar nicht das Herz gebrochen worden sein, denkt man da manchmal und wünscht ihm die Tochter des Fans mit Enkel-Wunsch an die Seite.

„Das ist das letzte Konzert unserer Tour, ehe wir morgen in unserer Heimat Köln spielen. Benehmen wir uns also nochmal daneben“, ruft May dem Publikum noch zu. Richtig über die Stränge schlagen die Fans aber ebenso wenig wie die Band: Das überwiegend weibliche Publikum übt sich zunächst lieber im sanften Hin- und Herwiegen, leisem Mitsummen und kurzem Aufkreischen nach dem Verklingen des letzten Akkords.

Zur Zugabe wird das Mischpult zur Bühne

Aber es wird besser. Spätestens nach dem Durchbruch-Hit der Band, „Oft gefragt“, kommt mehr Bewegung in die Reihen. Das liegt auch an den progressiveren Songs des neuen Albums „Schlagschatten“, das sowohl textlich als auch musikalisch mehr Tiefe und Tempo mitbringt.

Und als sich Henning May zur finalen Zugabe „ein Meer zwischen mir und allem was war“ wünscht, ist das Publikum ganz nah: Die Band drängelt sich für das letzte Akustik-Stück hinters Pult des Soundmischers, macht die letzen Reihe zur ersten. Viele Fans liegen sich in den Armen, manche zu Tränen gerührt. Um die Dame mit Wunsch nach Familienzuwachs dürfte es spätestens jetzt gänzlich geschehen sein.