Essen-Rüttenscheid. Alte Debatte, neuer Vorstoß: Der Vorsitzende des Essener Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, Jörg Brinkmann, fordert im Zuge der geänderterten Straßenverkehrsordnung erneut, die Rüttenscheider Straße in eine Einbahnstraße umzuwandeln. Kritik kommt von der IGR.
Der Vorschlag ist so alt wie die „neue“ Rüttenscheider Straße nach ihrem Umbau vor 25 Jahren: Zum wiederholten Mal fordert der Essener Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), die Hauptschlagader des Stadtteils in eine Einbahnstraße umzuwandeln. Dadurch wäre nach Ansicht des ADFC allen gedient: „den Radfahrern, die mit weniger Autoverkehr konfrontiert würden, aber auch den Anwohnern und Geschäftsleuten, denn alle Bereiche wären nach wie vor mit dem Auto erreichbar“, heißt es in einer Stellungnahme.
ADFC-Vorsitzender Jörg Brinkmann bezeichnet den vorhandenen „Sonderweg“ zwischen Martin- und Manfredstraße, der häufig als Radweg angesehen wird, als „Musterbeispiel, wie bei der Anwendung von Regelungen der Straßenverkehrsordnung daneben gegriffen wird“.
Fußgänger haben Vorrang
Seit 1. April gilt die neue Straßenverkehrsordnung, laut der auch Radfahrer künftig bei Verstößen tiefer in die Tasche greifen müssen. So ist es seit Inkrafttreten etwa verboten, die Straße zu nutzen, wenn auf gleicher Strecke auch ein Radweg gekennzeichnet ist. Problem auf der Rüttenscheider Straße sei aber, dass der mit rotem Pflaster und Rad-Piktogrammen markierte Weg rechtlich kein Radweg im eigentlichen Sinne ist. „Radfahrer haben auf diesem Weg Gastrecht, Fußgänger absoluten Vorrang“, weiß Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), der selbst häufig mit dem Rad unterwegs ist.
Er hält den ominösen Streifen ebenfalls für eine Fehlplanung, lehnt eine Einbahnstraßenregelung aber kategorisch ab: „Das hätte ein riesiges Verkehrschaos auf der Alfred- und den Nebenstraßen zur Folge und würde dem Einzelhandel vor Ort schaden. Außerdem bezweifle ich, dass es wirklich so viele Probleme gibt.“
Stattdessen plädiert er für mehr Rücksicht und mahnt an, dass vor allem die so imageprägenden hochwertigen Angebote im Einzelhandel auswärtige Kunden und damit eine gute Erreichbarkeit mit dem Pkw benötigten. Wie geschäftsschädigend die von der Fahrradlobby geforderte Einbahnstraßenregelung sein kann, beweise die Gemarkenstraße in Holsterhausen die dadurch „dauerhaft geschädigt wurde“.
„Für Radfahrer ist diese Straße eine Zumutung“
Brinkmann will den jetzigen Zustand für Radfahrer nicht länger hinnehmen, erwägt sogar, den Vorschlag in den Rat der Stadt einzubringen. „Beim Umbau der Rü war damals die Außengastronomie etwa noch kein Thema. Heute kostet sie zusätzlichen Platz auf dem ohnehin meist knapp bemessenen Gehweg. Als Radfahrer wird man ständig als Behinderung angesehen.“
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Der Chemie-Professor Eckhard Hasselbrink zog 1998 nach Essen und bevorzugt seitdem für den Weg von Bredeney zur Uni Duisburg-Essen das Fahrrad. „Nachdem ich auf dem Sonderweg an der Rü zwei Mal von abbiegenden Autos erfasst wurde, habe ich mir angewöhnt, auf der normalen Straße zu fahren“, sagt Hasselbrink. Schließlich sei das erlaubt, was aber selbst der Polizei mitunter nicht klar sei. So wurde er im Mai vergangenen Jahres von einer Streife angehalten, erhielt anschließend einen Bußgeldbescheid, weil er „nicht den vorhandenen Radweg benutzte und dadurch andere behinderte“.
Hasselbrink sah sich im Recht und legte Einspruch vor dem Amtsgericht ein. Die zuständige Richterin sah den Weg jedoch als „Schutzstreifen“ an, also als jene gestrichelte Linie, mit der häufig auf einer Straße eine Radspur eingerichtet wird. „Da reichte es mir und ich zog mit einem Anwalt vor das Oberverwaltungsgericht in Hamm“, sagt Hasselbrink. Weil das Bußgeld jedoch nur 15 Euro betrug, befasste sich das OVG mit Verweis auf Geringfügigkeit erst gar nicht mit dem Fall.
Immerhin aber schickte es Hasselbrink eine Stellungnahme, in dem es ihm bestätigte, dass sein „Verhalten nicht als Ordnungswidrigkeit zu ahnden war“. Hasselbrink fährt immer noch täglich die Rü entlang, an absichtlich eingeschaltete Scheibenwischanlagen und Beschimpfungen habe er sich längst gewöhnt. „Für Radfahrer ist sie eine Zumutung“, sagt er.