Essen. Nach den Sparvorschlägen der Verwaltung droht sechs Bürgerämtern in Essen das Aus. Auch die Zweigstelle an der Alfredstraße in Rüttenscheid ist betroffen. 40 300 Menschen ließen sich dort 2010 beraten. Wir haben das Wartezimmer besucht.

Gut 40 Minuten sitzt Clemens Vogt schon auf dem zweckmäßigen Plastikstuhl im Wartezimmer des Bürgerbüros an der Alfredstraße. Die Nummer 70 ist gerade aufgerufen worden, sechs Bürger sind noch vor ihm an der Reihe, bis er sein Kennzeichen endlich abmelden kann. „Das ist ungewöhnlich, normalerweise ist man hier immer schnell dran“, sagt der 61-Jährige aus Rüttenscheid.

Gut möglich, dass in der kleinen Niederlassung bald niemand mehr eine Nummer zieht, wenn der Rat die Sparvorschläge der Verwaltung im November absegnet. Denn dann wäre das Aus für die sechs Bürgerämter in Altenessen, Stoppenberg, Kupferdreh, Kettwig und eben Rüttenscheid beschlossene Sache. „Das wäre ein Riesennachteil, wenn das Bürgeramt hier verschwindet und wir künftig zum Gildehof müssen“, sagt Clemens Vogt. Jedes Vierteljahr, schätzt er, schaut er im Bürgerbüro vorbei - mal, weil er seinen Personalausweis verloren hatte, ein anderes Mal wegen einer Adressänderung.

„Ich würde das Aus des Bürgeramts hier sehr bedauern“

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Ein echter „Stammgast“ ist Klaus Martysiak. Der 67-jähriger Rentner greift seinem Sohn in dessen Autowerkstatt unter die Arme und starrt drei- bis vier Mal die Woche auf den grauen Linoleumboden im Warteraum. „Ich komme hierher, um die Kennzeichen abzumelden. Dafür müsste ich ja eigentlich nach Steele. Aber die Mitarbeiter hier kennen mich schon und sind da sehr kulant“, freut sich Martysiak. Die Werkstatt ist in der Ursulastraße, nur einen Steinwurf entfernt. „Das ist für uns natürlich praktisch. Ich würde das Aus des Bürgeramts hier sehr bedauern“, sagt er.

Eine, die schon Erfahrung mit einem großen Bürgeramt für alle gesammelt hat, ist Marieke Gerbracht. Die 34-Jährige ist erst vor drei Monaten von Düsseldorf nach Werden gezogen. Sie will ihre drei Wochen junge Tochter Merle anmelden, die die Wartezeit mit einem Nickerchen im Bauchbeutel überbrückt. „In Düsseldorf gab es ein großes Bürgeramt für alle. Als ich mich in Essen angemeldet habe, war ich nach zehn Minuten wieder draußen, das ist im Vergleich schon eine große Zeitersparnis. Vor allem mit einem kleinen Kind oder für ältere Menschen sind die Bürgerämter in den Stadtteilen ein guter Service“, sagt Gerbracht.

Noch ungenutzte Fläche im Gildehof

Dafür sind allein in Rüttenscheid drei Vollzeitkräfte und ein Teilzeitmitarbeiter verantwortlich. Deren Vorgesetzter, Uwe Siemon, leitet die Bürgerämter seit 1997. Beschließt der Rat die Zusammenlegung, liegt die Umsetzung in seinen Händen.2010 hatten er und sein Team zuletzt aufgelistet, wie die Bürgerämter frequentiert werden. 40 300 Menschen waren es damals allein in Rüttenscheid. „Wird der Beschluss gefasst, müssen die bestehenden Flächen im Gildehof zwingend erweitert werden“, sagt Siemon. Im Gildehof bestehen zwar noch ungenutzte Flächen - die sind jedoch auch für das Welcome-Center im Gespräch.

„Grundsätzlich ist die Zusammenlegung aber machbar. Wir prognostizieren dann eine Verdopplung der Beratungszahlen“, so Siemon weiter. In der Innenstadt wurden 2010 rund 95 600 Bürger beraten. Bei einer Schließung der sechs Außenstellen rechnet Siemon mit 200 000 Bürgern pro Jahr. Auch personell würde das Gildehofcenter aufgestockt, gleiches gilt für die verbleibenden Außenstellen in Borbeck und Steele. Siemon rechnet damit, dass der Sparvorschlag - wenn der Rat grünes Licht gibt - im ersten Quartal 2013 umgesetzt wird.