Essen-Rüttenscheid. . Das Karl-Hohlmann-Haus des Bürgervereins Rüttenscheid bestärkt seit 30 Jahren behinderte Menschen in ihrem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben.
Bezahlbarer und vor allem barrierefreier Wohnraum für Senioren in Rüttenscheid ist knapp. Eine oft vergessene Institution, die seit 30 Jahren vormacht, wie es gehen kann, ist das Karl-Hohlmann-Haus. Wie von Geisterhand öffnet sich dort beim Eintreten die breite Eingangstür, eine mittige Rillenlinie weist auch Blinden den Weg: Das nach seinem Stifter benannte Haus an der Rüttenscheider Straße war vor drei Jahrzehnten das erste barrierefreie seiner Art in Essen und feiert im Herbst Geburtstag.
Die Ehrenamtlichen des Bürger- und Verkehrsvereins Rüttenscheid (BVR) kümmern sich als Eigentümer um das Management des Hauses, dessen Bewohner mitunter von schweren Schicksalsschlägen gezeichnet sind. Einer von ihnen etwa sitzt im Rollstuhl, nachdem ihn ein Straftäter mit einem Messer angriff und schwer am Rücken verletzte.
Modell mit Nachahmungscharakter
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„Der Täter bekam neun Jahre, ich lebenslänglich. Während sich andere in einer Kneipe nach hübschen Frauen umsehen, schaue ich zuerst, wo die Toilette ist“, hat er einmal zu Oliver Ottmann gesagt, Vorsitzender des ehrenamtlichen BVR. Auch Renate Geister gehört zu den Mietern. Lange hat die Rollstuhlfahrerin nach einer Wohnung gesucht, bis sie am 19. Oktober 2006 ins Karl-Hohlmann-Haus zog, ein Datum, das sie nicht vergisst. 72 Quadratmeter mit Balkon sind das eigene Reich der Seniorin, die sich dank Extras wie niedriger Einbauten und Lichtschaltern sowie extrabreiten Türen darin frei bewegen kann. Wenn sie Fragen hat, wendet sich Renate Geister an das Büro des BVR, das etwa auch Kontakte zu Pflegediensten vermittelt. „Wir bekommen immer wieder Anfragen von Interessenten und würden am liebsten ein zweites Haus dieser Art errichten. Dafür fehlen uns aber die Mittel“, sagt Ottmann, der die Bewohner gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen auswählt. Wichtig seien dabei neben der Behinderung auch der soziale Status. „Wir haben sehr geringe Mieten. Deswegen achten wir schon darauf, dass Menschen einziehen, für die ein solcher Wohnraum sonst nicht bezahlbar wäre“, sagt Ottmann.
Ein Modell, das in Zukunft Nachahmer finden sollte, sagt auch Bezirksbürgermeister Gerhard Barnscheidt, der sich vor Ort ein Bild machte. Als Mitglied des Seniorenbeirats der Stadt Essen kennt er die oft prekäre Wohn- und Lebenssituation für Senioren. Zwei Fördertöpfe mit je 5000 Euro stünden dem Bezirk II etwa für Maßnahmen wie Bordsteinabsenkungen und das Aufstellen von Ruhebänken zur Verfügung. Dass das kaum ausreicht, um den Süden für den demografischen Wandel aufzustellen, ist auch Barnscheidt bewusst. Oliver Ottmann, der beruflich selbst im Immobiliengewerbe tätig ist, weiß, warum die Wohnbaugesellschaften vor Investitionen nach Art des Hohlmann-Hauses zurückschrecken: „Es wirft schlicht zu wenig Rendite ab. Das ist leider bei vielen das schlagende Argument.“
Immer weniger Unterstützer
Auch dem Karl-Hohlmann-Haus, das sich zu einem Großteil aus der Stiftung Rüttenscheid und Spenden finanziert, gehen die Unterstützer aus, wie BVR-Vorstandsmitglied Jürgen Büring bedauert: „Früher gab es vielmehr Menschen, die bereit waren, für solche Zwecke zu spenden. Heute bekomme ich immer häufiger zu hören, dass sich doch der Staat schon kümmert. Das ist traurig.“