Rüttenscheid. Hertie-Mitarbeiter haben gestern Mittag für den Erhalt der Filiale an der Rüttenscheider Straße protestiert. Passanten wurden um Unterschriften gebeten.

Im Rüttenscheider Hertie-Geschäft arbeiten noch 35 Mitarbeiter. Sie wurden gestern unterstützt von Mitarbeitern der Hertie-Zentrale in Kettwig – dort sind noch 120 Mitarbeiter beschäftigt. Auch die Verwaltung, die seit Anfang 2008 im Gewerbegebiet „Im Teelbruch” sitzt, steht vor der Auflösung.

Das Aus sämtlicher verbliebener Hertie-Filialen in Deutschland sowie der Zentrale in Kettwig war am 20. Mai verkündet worden. Die Geschäfte in Borbeck und Altenessen waren bereits im Februar 2009 geschlossen worden. Sie stehen heute leer. Was mit ihnen passiert, ist unklar.

Wann die verbliebenen Geschäfte in Rüttenscheid und Steele schließen sollen, ist ebenfalls noch offen. Die Mitarbeiter erfahren die meisten Neuigkeiten aus der Zeitung oder dem Radio.

Der britische Hertie-Eigentümer, der Finanzinvestor „Dawnay Day”, war im Sommer 2008 in Schwierigkeiten geraten. Erst ein Jahr zuvor hatte „Dawnay Day” bundesweit 73 ehemalige Karstadt-Häuser übernommen.

Die Mitarbeiter der Rüttenscheider Filiale hielten gestern Schilder hoch, auf denen zu lesen war: „Weg mit der Heuschrecke”, „Die Geschichte ist noch nicht zu Ende” oder „Wir wollen hier arbeiten”. Filialleiter Olaf Sichtig hat noch ein wenig Hoffnung: „Es gibt interessierte Kandidaten für eine Übernahme, und die letzten Gespräche im gesamten Insolvenzverfahren sind auch noch nicht gelaufen.” Sichtig betonte, dass seine Filiale nach wie vor täglich mit Waren beliefert werde. „Es wäre für mich unverstellbar, wenn Hertie hier zumachen würde. Stellen Sie sich mal vor – verrammelte Türen und dunkle Fenster mitten in Rüttenscheid, hier direkt am Stern.”

Was hat Hertie das Genick gebrochen? „Es liegt sicherlich an den Mieten”, sagt der Filialleiter. Der Eigentümer „Dawnay Day” habe 20 Prozent des Umsatzes genommen – marktüblich seien fünf bis acht Prozent. Deshalb hält sich hartnäckig die Kritik an „Dawnay Day” und der Verdacht, dass das britische Finanzunternehmen, das auf Immobilien, nicht aber auf Handel spezialisiert ist, „Hertie” hat auspressen wollen wie eine Zitrone. „Wir sind Heuschrecken-Opfer” steht auf einem weiteren Protest-Schild, das gestern Mittag hochgehalten wurde.

Würde Hertie an der Rüttenscheider Straße schließen, ginge eine lange Handelstradition zu Ende: Seit 1961 residierte dort, direkt am Rüttenscheider Stern gelegen, „Karstadt”. 2007 erfolgte die Umbenennung in Hertie.

„Wir haben früher immer bei Karstadt gekauft, vor allem in der Lebensmittel-Abteilung, die war immer sehr gut sortiert”, erinnert sich Bürger Wolfgang Scharfstädt (74), der den Kampf der Belegschaft mit seiner Unterschrift unterstützt. Würde jetzt Hertie endgültig schließen, müsste Scharfstädt bei Rewe einkaufen, was viel weiter hinten liegt. „Das geht auch, wäre aber nicht so günstig für uns”, sagt Scharfstädt.

Viele der Mitarbeiter der Rüttenscheider Filiale sind schon Jahrzehnte im Haus beschäftigt – und erinnern sich: „Vor Jahren waren wir hier über 100 Beschäftigte”, erinnert sich eine Angestellte. Sie arbeitet 24 Jahre im Geschäft am Rüttenscheider Stern. „Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben”, sagt sie.

Lange habe man still gehalten und nicht protestiert, sagen die Verkäuferinnen jetzt – „vielleicht zu lange. Aber man hat ja immer gehofft, dass es andere Filialen trifft und nicht das eigene.” Jetzt, da das komplette Ende von Hertie beschlossene Sache sei, habe man nichts mehr zu verlieren – deshalb der Protest.