Rüttenscheid. .

Willkommen in der Welt des Schlagers. Willkommen in der Welt der Vokuhilas, der Discohemden mit Riesenkragen und der quietschbunten Jackets. Willkommen in der Welt des René Pascal.

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Von DerWesten

Es gibt wenige Leute, auf die der viel gebrauchte Begriff „Original“ zutrifft. René Pascal ist so jemand. Bei ihm scheint die Zeit stehen geblieben zu sein — so grob im Jahre 1987. Das war das Jahr, in dem sich ein unauffälliger Essener Friseur und Freizeitdiscjockey in das verwandelte, was sich selbst heute in aller Bescheidenheit als „Essens Schlagergott“ bezeichnet.

„Ich war schon als Kind begeistert von dieser Musik“, sagt er. Eine Begeisterung, die er heute gerne weitergibt. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch in seiner Kneipe: der „Drehscheibe“. Auch an dieser Bar, die René Pascal seit 15 Jahren betreibt, scheinen die letzten Jahrzehnte spurlos vorübergegangen sein. Alte Magazincover mit Elvis Presley oder Marilyn Monroe zieren die Wände, und dazwischen immer wieder Fotos eines blondierten, etwas pummeligen Sängers. Einen Sänger, den man hier auch hinterm Tresen findet: Denn hier zapft der Chef noch selbst. Das heißt, wenn er nicht mit Fans für ein Foto posieren muss oder auch mal selbst zum Mikro greift, um unter dem Gejohle der Gäste seine eigenen Songs zum Besten zu geben.

„Mit dem Laden müsste ich eigentlich nach Mallorca ziehen“

Eigentlich vermutet man solch eine urige Kneipe eher in einer Seitenstraße in Hamburg an der Reeperbahn, vielleicht auch in Köln, anstatt im zuweilen doch etwas glattgebügelten Rüttenscheid. „Mit dem Laden müsste ich eigentlich nach Mallorca ziehen“, ergänzt Pascal. Doch in Frage kommt das für ihn nicht: Er will hier an der Alfredstraße bleiben. „Das bin ich meinen Fans schuldig“, sagt er voller Überzeugung.

Und die Fans, das wird bei einem Besuch der Kultkneipe schnell deutlich, kommen aus allen Altersschichten. Twens feiern hier in völliger Eintracht mit Senioren, das hat schon Seltenheitswert. „Ich kenne sonst keine Kneipe in Essen, in der so viel deutsche Musik gespielt wird“, begründet Stammgast Ines das Zusammenkommen des bunt gemischten Trüppchens, das sich hier, Foxtrott tanzend, an der Theke schunkelnd oder schlicht Bier trinkend ein Stelldichein gibt. Außerdem mag die 54-Jährige die „familiäre Atmosphäre“: „Man begrüßt sich hier stets nett und kommt sofort mit jedermann ins Gespräch.“ Und im übrigen sei René Pascal auch bei ihr Stammgast: Schließlich besitze sie die einzige Bräunungsdusche in Essen. Aha, jetzt wissen wir auch, woher René Pascal seinen mallorcareifen Teint her hat . . .

Und woher er seinen Namen hat, verrät er selbst: „Der setzt sich zusammen aus der Chansonsängerin Petra Pascal und dem Schlagersänger René Carol“, lächelt er schüchtern. Überhaupt: Für jemanden, der im Internet unter „www.schlagergott-essen“ zu finden ist, kommt René Pascal äußerst bescheiden und zurückhaltend daher. Und das trotz seiner beachtlichen Medienpräsenz. Sieben Mal war der ehemalige Vorsitzende eines Jack-White-Fanclubs bereits bei Stefan Raab zu Gast, auch bei Oliver Pocher sitzt er demnächst auf der Couch. „Und in zwei Wochen kommt RTL und dreht hier“, freut er sich. Dass ihn Raab und Co. dabei durch den Kakao ziehen, findet er nicht: „Stefan würde das nicht machen, er ist mein Freund“, sagt er völlig ohne Ironie.

Auch ein Schlagergott braucht mal Pause

Dabei weiß er genau, dass seine Musik nicht ganz ernst zu nehmen ist: Weder mit seinem bisher größten Hit „Lady Blue“ noch mit seiner neuen Single „Sechs Richtige mit Zusatzzahl“ befriedigt er die intellektuellen Gelüste eines deutschpop-affinen Philosophiestudenten im 26. Semester. Dafür sind Texte wie „Lady Blue, Lady Blue, 1000 Sterne rufen dir zu. Lieb’ mich noch einmal, uns’re Nacht wird kein Tabu“ bestens dafür geeignet, um sie auch nach dem zwölften Bier noch mitsingen zu können.

Texte, die er sich in der Regel, wie auch die streng vierviertelgetaktete Musik, von diversen Produzenten wie Dirk Brösing auf den rundlichen Leib schreiben lässt. Mit einer Ausnahme: „Bald veröffentliche ich meinen ersten selbst geschriebenen Song“, sagt er stolz. „Geh zum Teufel“ soll er heißen, und darin verarbeitet der bekennende Homosexuelle das Scheitern einer langjährigen Beziehung.

Inzwischen ist Pascal allerdings wieder glücklich liiert. In der „Drehscheibe“ wird man seinen neuen Freund allerdings nicht finden: „Der Trubel ist nichts für ihn.“ So hilft ihm seine neue Liebe schließlich auch dabei, immer wieder zur Ruhe zu kommen. Denn auch ein Schlagergott braucht mal eine Pause.