Essen-Stadtwald. Der Abriss historischer Häuser in Essen-Stadtwald ruft starken Protest hervor. Jetzt haben Bürger ihrem Ärger kräftig Nachdruck verliehen.

Der geplante Abriss einer Häuserzeile der Eyhof-Siedlung wühlt viele Menschen auf. Als jetzt der Bund der Deutschen Architekten zu einer Führung durch das Quartier einlud, folgen ihm rund 100 Teilnehmer und das des schwül-heißen Wetters. Eine Architektur-Rundgang wird zum Publikumsmagneten.

Architekten unterstreichen Stellenwert der Eyhof-Siedlung in Essen-Stadtwald

Vor dem markanten Torbau der Eyhof-Siedlung können Kunsthistorikerin Hannah Feldhammer und Architekt Wolfgang Zimmer viele ältere Menschen begrüßen, aber auch junge Familien mit Kindern. Eine Protestwelle breitet sich aus. Der geplante Eingriff in ein außergewöhnliches städtebauliches Ensemble bewegt die Gemüter.

Die GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft hatte erklärt, an der Angerstraße sieben Häuser abreißen und durch Neubauten ersetzen zu lassen. Bis zu sechs Parteien wohnen eigentlich in jedem Haus. Schon jetzt steht ein Drittel der Wohnungen leer, da sie bei Auszug nicht mehr neu vermietet wurden. Die noch verbliebenen Bewohner kämpfen um ihr Wohnrecht zu bezahlbaren Konditionen.

Der Bund Deutscher Architekten (BDA) versucht nun mit einer städtebaulichen Einordnung eine Grundlage zu legen für Argumente gegen den Abriss. Hannah Feldhammer und Wolfgang Zimmer möchten bei einem Rundgang die Eyhof-Siedlung und ihren Erbauer näher bringen.

Architekt Josef Rings gilt vielen Experten heute als Visionär

https://www.waz.de/staedte/essen/sued/neuer-protest-gegen-abriss-in-essener-eyhof-siedlung-id229719028.htmlDer Architekt Josef Rings und sein Werk seien wenig bekannt und das völlig zu Unrecht. Als mit einer Jüdin verheirateter Sozialist musste Rings nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten um sein Leben bangen und emigrierte 1934 nach Palästina. Nur so sei zu erklären, dass sein Name nur Experten etwas sage, betont Kunsthistorikerin Feldhammer. Dabei habe er hier Anfang der 1920er Jahre bereits dem „Neuen Bauen“ vorgegriffen. Für sie war Josef Rings ein Visionär, der für jedes bauliche Problem intelligente Lösungen fand.

Die Kunsthistorikerin Hannah Feldhammer hatte eine historische Luftaufnahme von der Siedlung zur Führung mitgebracht.
Die Kunsthistorikerin Hannah Feldhammer hatte eine historische Luftaufnahme von der Siedlung zur Führung mitgebracht. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Durch das Torhaus bis hin zum Wald erstrecke sich eine prägende zentrale Achse, die Rings mit absoluter Symmetrie der Gebäude noch betont habe. Der Rundgang durch die Siedlung offenbart viele bisher unbekannte Details und verstärkt noch das Gespür für die bis ins Kleinste durchkomponierte Architektur. Der Eyhof hat seinen einheitlichen Charakter behalten, obwohl an vielen der zumeist privatisierten Häuser teils gravierende Eingriffe vorgenommen wurden. Sollte aber auch nur ein Teil abgerissen werden, werde der Gesamtcharakter unweigerlich zerstört, betont Hannah Feldhammer.

Zwar sei hier kein Denkmalschutz zu erreichen, wohl aber ein Bestandsschutz. Die ebenfalls von Rings entworfene Siedlung Spinnstuhl in Gelsenkirchen-Hassel stehe übrigens unter Denkmalschutz. Bereits während der Führung werden Unterschriftenlisten weitergereicht, die am Ende gefüllt sind. Hier wird protestiert gegen den drohenden Abriss.

Mieter waren geschockt nach der Ankündigung der Wohnungsgenossenschaft

Zurück am Torhaus, löst sich die friedliche Demonstration auf. Jetzt möchten die Betroffenen reden. Wollen erklären, was das mit ihnen macht, ihre Heimat zu verlieren. Einer von ihnen ist Roland Pfromm, der mit Frau und zwei Kindern sehr gerne an der Angerstraße wohnt. Er berichtet vom Brief des Vorstandes der GE-WO, der ihn Mitte Mai 2019 erreichte: „Es war eine Ankündigung, dass wir 2024 unsere Wohnungen zu räumen hätten. Dieser Brief war ein Schock, besonders für die älteren Mieter, die hier verwurzelt sind. Wo sollen die denn hin?“ Menschen, die als Mitglieder der Genossenschaft lebenslanges Wohnrecht erworben haben.

Betroffene wollen Kräfte bündeln

Die Betroffenen machen mobil. Sie gründeten die Interessensgemeinschaft „GEWO-Genossen“ und treffen sich regelmäßig in der Gaststätte Forsthaus, Amselstraße 1. Ihre Homepage hält unter www.gewogenossen.de viele Infos bereit, per Email kann man unter info@gewogenossen.de Kontakt aufnehmen.

Nach Gesprächen mit dem Kunsthistoriker Johannes von Geymüller vom ebenfalls um den Erhalt der Eyhof-Siedlung bemühten „Arbeitskreis Essen 2030“ gibt sich Bewohner Roland Pfromm kämpferisch: „Wir müssen uns zusammentun und die Kräfte bündeln. Allein haben wir keine Chance.“

Der Abriss sei mit topographischen und bautechnischen Problemen begründet worden. In Kellern und Souterrainwohnungen bestehe eine Feuchtigkeits- und Schimmelproblematik. Auch mangele es an Barrierefreiheit. Die GE-WO sehe keine Möglichkeit der Sanierung. Das sieht Roland Pfromm völlig anders. So sei zum Beispiel ein Teil der Keller 2019 aufwendig renoviert worden. Pfromm berichtet, dass ihm bereits mit einer „eher kleinen“ Investition gelungen sei, die Raumluftfeuchtigkeit im Souterrain deutlich zu reduzieren.

Bewohner nennen Lösungen für die bestehenden Probleme

Architekt Wolfgang Zimmer erläuterte die Bauweise der Eyhof-Siedlung.
Architekt Wolfgang Zimmer erläuterte die Bauweise der Eyhof-Siedlung. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Bei solch einer Hanglage gehöre vor jedes Haus eine Drainage mit Mauerabdichtung. So könne Wasser vom Gebäude fern gehalten werden und dadurch die Bausubstanz erhalten bleiben. Der bald 80-jährige Dietmar Nitsch nickt: „Ich lebe seit 51 Jahren hier und habe eine altersgerechte Wohnung. Das ganze Haus ist neu gemacht worden. Vor ein paar Jahren haben die Häuser ein gemeinsames modernes Heizkraftwerk bekommen.“ Und das könne sich noch gar nicht amortisiert haben, rechnet Pfromm vor: „Wie wird denn hier gewirtschaftet?“

Dann zitiert er noch aus der Satzung der GE-WO. Dort stehe, Zweck der Genossenschaft sei die Förderung ihrer Mitglieder durch eine gute, sichere und sozial vertretbare Wohnungsversorgung. Für Nitsch, Pfromm und ihre Mitstreiter ein Hohn.

So begründet die Wohnungsgenossenhaft die Abrisspläne

Das Ausmaß des Protests gegen einen Abriss von Häusern in der Eyhof-Siedlung hat Wolfgang Hoffmann überrascht. Der Vorstand der GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft betonte auf Anfrage, dass der jetzige Zustand der Gebäude auf Dauer nicht hinnehmbar sei.

In einigen Souterrain-Wohnungen und im Kellerbereich seien Wände feucht. Bedingt durch die Hanglage dringe Wasser ein. Die Gemäuer trocken zu legen, scheitere an den örtlichen Gegebenheiten, betont Hoffmann. Der Keller liege nach hinten versetzt unter den weiteren Etagen. Man könne daher nicht an das Mauerwerk gelangen, ohne zugleich die Statik der Häuser zu gefährden.

Wolfgang Hoffmann, Vorstand der GE-WO Vorstand, nimmt Stellung zu den Plänen.
Wolfgang Hoffmann, Vorstand der GE-WO Vorstand, nimmt Stellung zu den Plänen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Wollte die GE-WO die Wohnungen von Grund auf sanieren, kämen enorme Kosten auf die Genossenschaft zu. Allein schon die heutigen Brandschutzauflagen würden zu erheblichen Ausgaben führen. Ferner müsste das Unternehmen dann auch die Häuser energetisch sanieren. Eine solche Instandsetzung ließe sich wirtschaftlich nicht vertreten.

Mietern habe die GE-WO Prämien zugesichert, wenn sie sich bis Ende 2022 zu einem Auszug entschließen, und zugleich versprochen, bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. 13 der insgesamt 38 Mietparteien hätten bislang davon schon Gebrauch gemacht, zieht Hoffmann eine Zwischenbilanz.

Zunächst stehen fünf Häuser im Fokus

Für die Planung der Neubauten bestünden erst Skizzen, Bauanträge habe die GE-WO noch nicht gestellt. Mit dem Vorhaben wolle das Unternehmen auch erst 2025 beginnen. An der Symmetrie des Häuserkomplexes werde man festhalten.

Bei der Gestaltung der Neubauten wolle sich die GE-WO an der Optik des Umfelds orientieren. Im Fokus der Pläne stünden zunächst fünf Gebäude, die Häuser mit den Nummern 17 und 19 sollen in einem weiteren Abschnitt folgen.

Auch interessant