Essen-Bredeney. Graham Weale lebt in Essen-Bredeney. Er und seine Frau erhalten am 31. Januar die deutsche Staatsbürgerschaft. Kontakt in die alte Heimat bleibt.
Am Tag des Brexits, am 31. Januar 2020, erhalten Graham Weale (66) und seine Frau Anthea (71) aus Essen-Bredeney ihre Einbürgerungsurkunde. „Wir bekommen die deutsche Staatsbürgerschaft, Großbritannien verlässt die EU. Das ist schon kurios“, findet der Energie-Ökonom, der als Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum arbeitet. Der Einbürgerungstermin – ein Zufall.
Seit 2007 lebt das Ehepaar Weale in Essen – und will dort auch bleiben. „Wir leben gern hier, fühlen uns sehr wohl, sind nach 13 Jahren in Essen fest verwurzelt und in verschiedenen sozialen Kreisen integriert“, sagt Graham Weale. Deshalb sei es nur folgerichtig, dass sie im Februar 2019 die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hätten. Eigentlich sollte die Einbürgerung mit Urkunde und Eid schon Ende 2019 erfolgen. Der Akt habe sich aber um rund zwei Monate verzögert. „Zufällig ist es jetzt am 31. Januar soweit, dem Tag des Brexits“, so Weale.
Graham Weale ist entschiedener Gegner des Brexits
Zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hätten er und seine Frau Anthea sehr unterschiedliche Meinungen. „Ich bin Ökonom und sehe natürlich die wirtschaftlichen Nachteile, die der Brexit mit sich bringen wird. Großbritannien braucht gute Handelsbeziehungen zu den Ländern, die am nächsten liegen. Meine Frau sieht das Thema dagegen eher unter dem Aspekt der Souveränität“, erläutert Weale. „Unsere Ehe gefährdet das aber nicht. Wir sind 42 Jahre verheiratet“, ergänzt der Bredeneyer und lacht.
Bibelgespräche in der Wohnzimmerkirche bei Tee und Keksen
Die Wohnzimmerkirche stellt bei den Treffen Bibeltexte in den Mittelpunkt, über die und deren Bedeutung für das Leben des Einzelnen diskutiert wird. Dazu gibt es Tee und Kekse.
Die Treffen finden an jedem ersten, dritten und – wenn vorhanden – fünften Sonntag im Monat um 18 Uhr statt. Infos und Anmeldung unter info@wohnzimmerkirche-essen.de .
Das Ehepaar behält auch weiterhin die britische Staatsbürgerschaft. Es sei schließlich nicht so, dass man die alte Heimat jetzt nicht mehr möge. „Ich stamme aus der Nähe von London, meine Frau aus Liverpool“, sagt der Vater von zwei erwachsenen Kindern, die in London leben. Weale: „Wir haben zwei Enkel und sind natürlich regelmäßig auf der Insel, um die Familie zu sehen – spätestens alle zwei Monate.“
Zur Monarchie hat der Bredeneyer eine positive Einstellung
Eigentlich vermisst Weale seine alte Heimat nicht. Der Monarchie stehe er aber durchaus positiv gegenüber, „auch wenn sie gerade nicht im besten Zustand ist“. Über einen Unterschied zwischen Deutschland und England kann er schmunzeln: „Auf der Insel habe ich Geige in einem Laienorchester gespielt. Für Konzerte haben wir vielleicht fünfmal geprobt, in Deutschland wird da schon mehr geübt . . .“
Weale und seine Frau sind durchaus Kosmopoliten, sie reisen viel – beruflich wie privat. Von der deutschen Staatsbürgerschaft erhofften sie sich Erleichterungen beim Reisen durch Europa. Schon als Kind habe er eine Beziehung zu Deutschland gehabt, seine Familie habe deutsche Wurzeln, berichtet Graham Weale. „Wir haben oft Urlaub im deutschsprachigen Raum gemacht.“ Die Einbürgerung wollen die Weales mit einem kleinen Umtrunk mit den Nachbarn feiern.
Deutsche Staatsbürgerschaft ohne Sprach- und Einbürgerungstest
Ein bisschen überrascht war der Bredeneyer, dass sie im Zuge des Verfahrens weder einen Sprach- noch einen Einbürgerungstest absolvieren mussten. „Das liegt offenbar an unserem fortgeschrittenen Alter, bei dem man davon ausgeht, dass wir uns nicht mehr im Arbeitsleben zurechtfinden müssen“, so der 66-Jährige. Er halte es aber für falsch, auf den Sprachtest zu verzichten. „Man muss sich schließlich in jedem Alter beim Einkaufen, beim Arzt oder auf dem Amt verständigen können.“ Den Einbürgerungstest habe er sich schon einmal angeschaut und hätte die Mehrzahl der Fragen ohne weitere Vorbereitung beantworten können.
Seit vier Jahren ist Graham Weale an der Ruhr-Uni tätig, nach Essen seien sie damals wegen eines interessanten Job-Angebots als Volkswirt bei einem großen Energieversorger gekommen. Seine Frau Anthea begleitet als Pianistin Sängerinnen und Chöre auf dem Klavier. Zudem leite sie eine Sprachgruppe für englische Konversation.
Engagement in Gemeinde und Flüchtlingsarbeit
Graham Weale ist kirchlich sehr engagiert, versuchte vor einigen Jahren, eine anglikanische Gemeinde in Essen aufzubauen, was aber an zu geringen Teilnehmerzahlen gescheitert sei. Heute laden die Weales mehrmals im Monat zur Wohnzimmerkirche – einer Mischung aus Gottesdienst und Bibelgespräch – zu sich nach Hause sein. Meist kämen rund zehn Personen, für bis zu 40 habe man Platz. „Das Ganze findet auf Deutsch statt, für die englischsprachigen Gottesdienste, die damals beim CVJM stattfanden, gab es ja nicht genug Interessenten“, so Weale.
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Auch in der Flüchtlingsarbeit engagieren sich Graham und Anthea Weale seit Jahren, arbeiten vor allem mit Syrern zusammen. „Wir besuchen ein Sprachcafé an der Viehofer Straße und sind ganz begeistert, wie engagiert die Teilnehmer in Sachen Spracherwerb und Integration sind“, so Weale, der manchmal Schachabende mit den Syrern veranstaltet.
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