Essen-Haarzopf. Bei der Diskussion zur geplanten Bebauung in Haarzopf sprechen sich Politiker dafür aus, Freiflächen zu schonen. Die Bürger bleiben skeptisch.
Die Haarzopfer Bürgerinitiative „Finger weg von Freiluftflächen“ hatte, unterstützt von der Initiative zur Rettung der Grünflächen in Schönebeck, zu einer Podiumsdiskussion in die Kirche Christus König eingeladen. Vertreter von SPD, CDU und den Grünen waren vertreten. Am Ende der Veranstaltung zeigten die anwesenden Bürger den Politikern die „rote Karte“.
Der Bedarf an Wohnungen wird ganz unterschiedlich eingeschätzt
Obwohl die Argumente der Politiker sich auf verschiedene Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung stützen, waren sie sich einig, dass man nach Möglichkeit nicht in vorhandenen Landschaftsschutzgebieten bauen wolle. Ratsherr Thomas Rotter (SPD) legte bei der Diskussion den Fokus auf bezahlbaren Wohnraum: „Die Mieten in Essen müssen stabil und bezahlbar bleiben. Wir gehen von einem Neubedarf von 5000 bis 8000 Wohnungen bis 2030 aus. Im November bekommen wir von der Verwaltung eine erste Vorlage, welche Flächen dafür in Frage kommen.“
Die Stadt brauche in allen Stadtteilen bezahlbaren Wohnraum. „Wir als SPD wollen aber nicht in Landschaftsschutzgebieten bauen. Wenn ich mir die Bürgerinitiativen anschaue, müssen wir uns noch einmal Gedanken machen, welche Flächen letztendlich bebaut werden sollen“, sagte er.
Sein CDU-Kollege Uwe Kutzner antwortete auf die Frage, von wieviel Neubedarf seine Partei ausgehe damit, dass es verschiedene Statistiken gebe: „Es könnten 15.000, aber auch 18.000 sein. Wichtig ist es aber, zu beachten, dass immer mehr Essener Bürger Wohnungen südlich der A40 suchen. Daher ist Haarzopf als Standort attraktiv.“
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Man wolle möglichst wenige vorhandene Freiflächen bebauen. Die Stadt haben nicht immer den Zugriff auf Alternativen. Falls Haarzopfer bereit wären, ihr Haus aufzustocken, könne er nur dazu aufrufen, so Kutzner.
Politiker sprechen sich für Schließung von Baulücken aus
Für die Ratsherren Manfred Gunkel (Ratsgruppe Tierschutz/BAL) und Christoph Kerscht (Bündnis 90/Die Grünen) war klar, dass die Stadt erst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen müsse: „Wir müssen zunächst einmal die vorhandenen Baulücken erfassen. Bis heute gibt es auf Grund von Personalmangel in Essen kein Baulückenkataster“, erklärte Manfred Gunkel. Weitere Alternativen im Bereich der Innenverdichtung seien noch gar nicht in Betracht gezogen. „Es ist natürlich immer einfacher Freiflächen zu bebauen.“
Demo für den Freiflächenerhalt startet am 3. November
Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Studie geht von einem Neubedarf von 1600 Wohnungen bis 2030 aus, eine ältere Studie prognostiziert 16.500 benötigte Wohnungen. Die Stadtverwaltung hatte im Vorfeld ein externes Planungsbüro mit der Untersuchung der für den Wohnungsbau geeigneten, innerörtlichen Flächen in Essen beauftragt. Die Bebauung von Baulücken, sowie Flächen, die bisher nicht für den Wohnungsbau genutzt werden oder der Bau zusätzlicher Geschosse auf vorhandenen Gebäuden habe für die Stadtverwaltung Priorität.
Erst wenn dieses Potenzial ausgeschöpft sei, wolle man Freiflächen im Außenbereich erschließen. Die Untersuchung zeige auf, dass das sogenannte Innenentwicklungspotenzial im Essener Stadtgebiet gut 200 Hektar betrage. Da es in Essen kein Baulückenkataster gebe, bleibe offen, wieviel innerörtliche Fläche letztendlich tatsächlich für den Wohnungsbau genutzt werden könne.
Die Petition der Haarzopfer Bürgerinitiative „Finger weg von Freiluftflächen“ hat bereits über 5000 Unterschriften. Die Initiative ruft zu einer Demonstration am 3. November auf, die um 15 Uhr am Bürgerpark in Haarzopf, Auf’m Bögel, startet.
Gunkel ist der Meinung, dass die Stadtverwaltung zunächst schauen müsse, ob eine Fläche neu verwendet werden könne, bevor Frei- und Grünflächen in Betracht kommen. Ratsherr Kerscht von den Grünen positionierte sich ähnlich: „Wir werden im Rat einen Antrag stellen, dass in Zukunft das Verwaltungspersonal für ein Baulückenkataster aufgestockt wird.“
Auch landwirtschaftlich genutzte Flächen sollen erhalten bleiben
Man müsse intelligenter nach geeigneten Flächen schauen. „Dabei wollen wir als Grüne nicht nur Freiflächen und Grünflächen, sondern auch landwirtschaftlich genutzte Böden erhalten. Man muss im Einzelfall prüfen, welche Qualität eine Grünfläche hat“, sagte Kerscht.
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Nach Abschluss der Podiumsdiskussion wurden die anwesenden Bürger gefragt, ob sie mit der Argumentation der Politiker zufrieden seien oder am 3. November dennoch demonstrieren wollen. Dafür waren eine grüne und eine rote Karte an den Plätzen ausgelegt worden. Die Anwesenden blieben skeptisch, auch wenn alle Politiker bekräftigten, die Freiflächen schonen zu wollen – und so zeigten die Bürger den Mandatsträgern einstimmig die rote Karte – die geplante Demo der Bürgerinitiative am 3. November soll also stattfinden.
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