Essen-Haarzopf. Bei einer Bürgerversammlung in Haarzopf ging es um die unterschiedlichen Flächen, die in zwei Workshops für die Bebauung vorgeschlagen wurden.

Zum Auftakt des Gemeinsamen Sommerfestes (Gesofe) in Haarzopf stand traditionell eine Bürgerversammlung auf dem Programm, dieses Mal zum Thema „aktuelle Wohnbauplanung für Haarzopf und Fulerum“. Ein Thema, dass die Gemüter immer wieder erregt. Bei der gut besuchten Veranstaltung im Bürgerpark ging es unter anderem um die Vorschläge für Baugrundstücke, die die Teilnehmer eines Workshops zur Entwicklung von Haarzopf und Fulerum Anfang 2018 erarbeitet hatten. Damals hatte der Bürgerverein eingeladen.

Die Ideen der Teilnehmer stehen im Gegensatz zu den Vorschlägen, die die Teilnehmer des städtischen Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen“ Ende 2018 festgehalten hatten. „Komischerweise sind die Flächen, auf denen wir uns Wohnungsbau vorstellen können, beim städtischen Workshop sehr schlecht bewertet worden und die, wo wir weitere Bebauung ablehnen, landeten in den höchsten Kategorien“, weist Philipp Rosenau, zweiter Vorsitzender des Bürgervereins, auf die deutlichen Diskrepanzen hin.

Bürgerforum ordnete drei Flächen als gut geeignet für Bebauung ein

In die Kategorien I und II, also gut für Bebauung geeignet, hatten die ortsfremden Teilnehmer des städtischen Bürgerforums drei Flächen eingeordnet. Dazu gehört die einen Hektar große Fläche an der Eststraße/Neulengrund, ein Grünstreifen zwischen dem Kita-Neubau auf dem ehemaligen Gelände der Kirche St. Maria Königin und der Raadter Straße. Ebenfalls positiv bewertet worden sei die 3,7 Quadratmeter große Fläche zwischen Harscheidweg, Henningweg und Im Siepken.

Auf dem Podium bei der Haarzopfer Bürgerversammlung saßen: (v.l.) Christoph Kerscht, Andreas Müller, Philipp Rosenau, Carolin Wolf und Wolfgang Freye.
Auf dem Podium bei der Haarzopfer Bürgerversammlung saßen: (v.l.) Christoph Kerscht, Andreas Müller, Philipp Rosenau, Carolin Wolf und Wolfgang Freye. © FUNKE Foto Services | Martin Horn

Gute Noten für eine Bebauung habe auch eine 3,6 Hektar große Fläche an der Raadter Straße erhalten, wo sich früher eine Tennisanlage und eine Gärtnerei befunden hätten. Auf einem Teil der Fläche wird bereits gebaut. „Dieses Areal kam bei unserem Workshop auch vor. Wir können uns da aber allenfalls die Bebauung auf einem Teil der Fläche entlang der Raadter Straße vorstellen“, so Philipp Rosenau.

Die 50 Teilnehmer des Haarzopfer Workshops könnten sich weitere Bebauung an der östlichen Humboldtstraße, zwischen dem evangelischen Gemeindezentrum Fulerum und dem Beginn der Siedlung Sonderwerkstraße/Regenbogenweg vorstellen. Die Workshop-Teilnehmer hielten auch Wohnbebauung auf dem Feld hinter dem früheren Aldi-Markt an der Humboldtstraße für möglich.

Das Forum als Instrument der Bürgerbeteiligung wurde gelobt

„Erstaunlicherweise ist dieses Areal von den städtischen Forumsteilnehmern als Kategorie IV, also für Wohnbebauung ungeeignet, eingestuft worden“, wundert sich Rosenau. „Wir waren nach unserem Workshop eigentlich im guten Dialog mit dem Oberbürgermeister und der Stadt.“ Deshalb wundere man sich, dass die Stadt die roten Linien, die man in Haarzopf gesetzt habe, nicht akzeptiere, sondern die Flächen wieder zur Diskussion stelle.

Vertreter von Grünen und Linken auf dem Podium

Die Bürgerversammlungen zum Auftakt des Gesofe haben Tradition. In diesem Jahr saßen außer Diplom-Psychologin Carolin Wolf, die den Haarzopfer Workshop mit erarbeitete, auch Andreas Müller, Leiter der Bauleitplanung bei der Stadt, und die Ratspolitiker Christoph Kerscht (Grüne) und Wolfgang Freye (Linke) auf dem Podium.

Moderator Philipp Rosenau vom Bürgerverein Haarzopf-Fulerum hatte in diesem Jahr nach eigenen Angaben bewusst Vertreter dieser Parteien einladen, da bei der letzten Bürgerversammlung beim Gesofe 2017 (2018 war das Fest ausgefallen) nur Vertreter von CDU, SPD und EBB anwesend waren.

Generell wurde das Forum der Stadt als Instrument der Bürgerbeteiligung gelobt. Allerdings sei ein Tag zu kurz gewesen. Auch die Tatsache, dass die 500 Teilnehmer Grundstücke bewerten mussten, die nicht in ihrem Wohnbezirk liegen, stieß auf Kritik. Man könne die Auswirkungen von möglicher Wohnbebauung nicht beurteilen, wenn man weder die Infrastruktur noch andere Details der Areale kenne, hieß es.

Die Entscheidung über die Bebauung liegt bei den Politikern

Stadtvertreter Andreas Müller betonte, dass es sich bei den ausgesuchten 28 Flächen im gesamten Stadtgebiet nur um Vorschläge handele, die voraussichtlich im November den Politikern vorgelegt werden sollen, die dann darüber entscheiden müssten. Eine Leitlinie sei die Innenentwicklung, also die weitere Bebauung schon genutzter Flächen, so Müller.

Grünen-Ratsherr Christoph Kerscht, dessen Partei sich nicht an dem städtischen Workshop beteiligt hatte, weil sie das Verfahren für nicht transparent und die angesetzte Zeit für zu knapp befand, lobte den Haarzopfer Workshop. Der weise genau diese Mängel nicht auf und könne als Beispiel für andere Stadtteile dienen. Laut Workshop-Organisatorin Carolin Wolf sei es ein Vorteil der Veranstaltung gewesen, dass die Teilnehmer zu Themen arbeiten konnten, die ihre Lebenssituation beträfen, zum Beispiel „Leben im Alter“ oder schulische Infrastruktur.

Einwohnerzahl von Haarzopf bleibe aufgrund von Neubauprojekten konstant

Anwohner Dietmar Matzke verwies auf den jahrelangen Kampf der Haarzopfer gegen die Bebauung von Freiflächen und schlug vor, lieber Wohnmöglichkeiten in ehemaligen Ladenlokalen in der Innenstadt zu schaffen, deren Inhaber aufgrund der Internetkonkurrenz aufgäben. Andreas Müller wies darauf hin, dass kaum ein Vermieter darauf eingehen würde, solange er höhere Einnahmen von Gewerbetreibenden erzielen könne. „Da regelt der Markt die Dinge“, so Müller.

Einige Bürger äußerten die Sorge, dass sich Besitzer von Freiflächen „eine goldene Nase“ verdienen wollten und ihre Flächen lieber als Bau- statt als Ackerland bereitstellten. In Haarzopf sei die Bevölkerungszahl dank der zahlreichen Neubaugebiete relativ konstant geblieben, während andere Stadtteile unter Einwohnerschwund litten, so Müller.

Neuen Wohnraum könne man auch schaffen, indem man älteren Menschen ermögliche, sich in ihrer gewohnten Umgebung kleiner zu setzen, so dass sie ihre Häuser für junge Familien freimachen könnten – ein Vorschlag, der in Haarzopf schon seit vielen Jahren diskutiert wird. So sollen auch die Flächen, die durch den Abriss der ehemaligen Flüchtlingshäuser Auf’m Bögel frei werden, nach geltendem Planungsrecht für seniorengerechtes Wohnen oder Mehrgenerationenwohnen genutzt werden.