Essen-Rellinghausen. Johannes Stoll, Vorsitzender der Bürgerschaft, hat ein Info-Heft über den Blücherturm geschrieben. Über die Zeit vor 1577 gibt es kaum Material.
Wer über die Geschichte des Blücherturms in Essen-Rellinghausen spricht, erwähnt meist seine Funktion als Gerichtsturm. „Natürlich haben hier Hexenprozesse stattgefunden, in deren Folge 42 Menschen zu Tode kamen. Aber das waren nur 20 Jahre in der mehrere Jahrhunderte umfassenden Geschichte des Bauwerks“, erklärt Johannes Stoll, Autor der neuen Broschüre „Der Gerichtsturm genannt Blücherturm zu Rellinghausen“. Der Vorsitzende der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald hat sich viele Jahre mit der Historie des Bauwerks beschäftigt, das die Bürgerschaft 1997 von der Stadt gekauft hatte.
Broschüre ist in einer Auflage von 300 Stück erschienen
Die Broschüre über den Blücherturm wurde von Johannes Stoll geschrieben und wird von der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald herausgegeben. Sie umfasst 17 Seiten mit Bildern und Abbildungen und ist für vier Euro erhältlich.
Die nächste Veranstaltung, die am Blücherturm, Am Stift 9, startet und auch endet, ist eine Führung durch das ehemalige Stiftsgebiet. Die Führung leitet Marlies Holle am Samstag, 29. Juni, 15.30 Uhr.
„Es kommen – abhängig von den laufenden Ausstellungen – mehrere Tausend Besucher im Jahr. Wir hatten immer das Problem, dass es zwar etliche Kapitel über den Blücherturm in verschiedenen Büchern gibt, aber keine Kurzfassung, die die Besucher einfach mitnehmen können, um die Fakten nachzulesen“, so Stoll. So sei die Idee zur Broschüre entstanden, die jetzt endlich realisiert werden konnte. Das Problem sei, dass es kaum Material zu der Zeit vor der Nutzung des Turms für Gerichtszwecke gebe.
Der Turm wurde für Gerichtsverhandlungen genutzt
Für Gerichtsverhandlungen wurde der Turm schon 1577 genutzt. Ein entsprechender Vertrag zwischen dem Stift Rellinghausen und dem Vogt Wilhelm von Eyll zu Baldeney, den Johannes Stoll im Staatsarchiv NRW gefunden hat, ist in der Broschüre abgedruckt. Darin sei geregelt, welche Gerichtsbarkeit – die kirchliche des Stifts oder die weltliche der Vogtei – jeweils zuständig sei. Darüber habe es damals ständig Streit gegeben. Als Gerichtsstandort sei der Turm gut geeignet gewesen, da er an der Kreuzung zwischen Heisingen, Steele und dem Stiftsgebiet liege. Von Vorteil sei auch die Gaststätte in der Nachbarschaft gewesen, in der sich die Richter und andere Offizielle hätten stärken können.
„Spannender ist die Zeit davor. Da gibt es viele Fragen, zum Beispiel zu Größe und Zweck des Turms“, sagt Stoll, der sich in Süd- und Ostdeutschland vergleichbare Türme angeschaut hat. Aufgrund der Dicke der Mauern sei er sich sicher, dass der Turm ursprünglich ein Stockwerk höher gewesen sein müsse. Außerdem habe es früher ein Kellergeschoss gegeben, das bei der Verlegung von Abwasserleitungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfüllt worden sei.
In Rellinghausen gab es vier ähnliche Türme
In Rellinghausen habe es vier ähnliche Türme gegeben, von denen heute noch drei, zumindest in Teilen, existierten: der Blücherturm, der Stiepelturm und der Turm von St. Lambertus. Ein vierter Turm habe sich am heutigen Restaurant „Zur alten Dorfschenke“ befunden, das Fundament habe man vor kurzem bei Bodenarbeiten entdeckt. Die vier Türme hätten einen Abstand von jeweils rund 130 Metern gehabt, nah genug, um sich gegenseitig hören, sehen und sich im Ernstfall helfen zu können, so Stoll. „Ich bin deshalb zu dem Schluss gekommen, dass die Türme, so auch der Blücherturm, eine Schutzfunktion hatten, wo sich die Menschen für einige Tage in Sicherheit bringen konnten, zumal dort auch Lebensmittel eingelagert waren“, sagt der Autor.
Der Blücherturm lag an der höchsten Stelle der Umgebung
Da sich der Blücherturm an der höchsten Stelle der Umgebung befinde und das Gelände damals wenig bebaut gewesen sei, habe man Feinde von weither kommen sehen. „Es waren unruhige Zeiten damals“, sagt der Vorsitzende der Bürgerschaft. Als dann die Pulverwaffen erfunden worden seien, hätten die Türme ihre Schutzfunktion verloren. Der Turm sei dann einige Male umgebaut worden, habe im Lauf der Jahre ein anderes Dach erhalten. Die letzten Seiten der Broschüre sind der Zeit ab 1997/98 gewidmet, als die Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald den Turm kaufte und als Ausstellungsraum umbauen ließ.