Essen-Stadtwald/Rellinghausen. . Drei Generationen der Familie Bisping lebten und praktizierten in dem Gebäude an der Frankenstraße. Jetzt wird es für neuen Wohnraum abgerissen.
Manfred und Gisela Bisping stehen vor dem Gebäude an der Frankenstraße 166, sprechen mit den Bauarbeitern. Im Hintergrund reißt ein Bagger die Wände der gelben Jugendstilvilla ein, in der das Ehepaar viele Jahrzehnte gewohnt und gearbeitet hat. Immer wieder zückt Manfred Bisping die Filmkamera, hält fest, wie Steine fallen und Balken brechen. Stück für Stück frisst sich der Bagger durch das dicke Mauerwerk. „Unser Wohnzimmer“, sagt Gisela Bisping traurig. Im selben Moment ist ihr Tonfall wieder ganz nüchtern. „Ich hätte gedacht, dass das mehr staubt.“
„Es ist schon schmerzhaft zu sehen, wie schnell man so ein Haus zum Sterben bringt“, kann Manfred Bisping (81) seine Gefühle nicht unterdrücken. Er dokumentiert mit der Kamera den Abriss der Villa von 1902, in der schon sein Vater und Großvater praktiziert hatten. Manfred Bisping hatte von 1970 bis 2002 als Allgemeinmediziner und Sportarzt in der Villa gearbeitet, die genau auf der Grenze zwischen Stadtwald und Rellinghausen steht. Im Erdgeschoss war die Praxis, oben wohnten die Bispings.
„Am Ende waren die 400 Quadratmeter Wohnfläche und die 800 Quadratmeter Garten für uns beide nicht mehr zu bewirtschaften. Die Kinder sind ja weit weg“, begründet Gisela Bisping ihren Entschluss, das Gebäude aufzugeben. Mieter habe man nicht dazu nehmen können, da das gesamte Gebäude offen konzipiert und nur mit einem Wasser- und Heizungskreislauf ausgestattet war. Die Räume seien 3,50 Meter hoch gewesen. Eine Entkernung und ein kompletter Umbau hätten sich nicht gelohnt. Da sich hinter dem Haus noch zwei Baugrundstücke befunden hätten, habe die Stadt alle paar Jahre angefragt, ob sie nicht zwecks Baulückenschluss verkaufen wollten, erinnert sich Gisela Bisping.
Das Ehepaar wohnte heute in Schönebeck
„Wir wollten in unserem Alter da nichts mehr machen. Leider haben wir nur den Grundstückspreis bekommen, da ja von Anfang an klar war, dass das Gebäude abgerissen wird. Aber am Ende war es eine Entscheidung der Vernunft, das Haus aufzugeben“, sagt Gisela Bisping. In der gegenüberliegenden Gaststätte Forsthaus könne man noch Bilder aus der Vergangenheit der Villa sehen. Es sei wohl die älteste Arztpraxis Essens gewesen, so Gisela Bisping, die mit ihrem Mann jetzt in Schönebeck wohnt.
Zum Wochenende werde das Gebäude verschwunden sein, schätzen die Bauarbeiter, die sich bei ihrer staubigen Mission Zeit nehmen, mit dem Ehepaar Bisping über die Geschichte des Gebäudes zu sprechen. Bevor das markante Türmchen mit dem Kupferdach fällt, haben sie den Stern von der Spitze gerettet. Thomas Krieger, Geschäftsführer des Projektentwicklers R&W, übergibt ihn dem Ehepaar. „Den Stern werden wir in Ehren halten“, sagt Gisela Bisping, die ebenfalls Kinderärztin war.
Der eigentliche Abschied liegt schon Jahre zurück
Als sich der Bagger weiter vorarbeitet, entdeckt ihr Mann alte Fliesen im oberen Teil des Gebäudes. Es tue weh, die Villa fallen zu sehen, aber der eigentliche Abschied liege ja mehr als vier Jahre zurück, „als wir uns zum Auszug entschlossen haben“, blickt Manfred Bisping zurück. Der Name des Neubaus wird an die Familie erinnern: Quartier Bisping.
Nach dem Auszug 2013 des Ehepaares Bisping hatte sich jahrelang nichts getan. Die leere Villa rottete vor sich hin. Mehrfach hatte sich das Bauschild geändert, das auf das Neubauprojekt hinwies. Eine Baugenehmigung für Wohnungen und eine Tiefgarage liege bereits seit November 2016 vor, erklärt Isabel Razanica vom Stadtpresseamt.
Der Neubau soll Ende des Jahres bereits stehen
Abriss und Neubau liegen jetzt in den Händen der R&W-Projektentwicklung GmbH aus Meppen. Nach dem Abriss, der zum Wochenende erledigt sein wird, werde das Gelände vom Schutt befreit. Anschließend suche der Kampfmittelräumdienst nach Weltkriegsbomben. Nach den Erdarbeiten wolle man im Februar mit dem Rohbau beginnen, so Geschäftsführer Thomas Krieger. „Die Fertigstellung ist für Ende 2018, Anfang 2019 geplant. Wir werden den Neubau schlüsselfertig an die Geno-Bank übergeben“, sagt Krieger. Er gehe davon aus, dass die Geno-Bank die Wohnungen vermieten werde. „Angesichts der aktuellen Zinsentwicklung investiert die Geno-Bank ja in letzter Zeit zunehmend in Immobilien“, so Thomas Krieger. Gebaut würden 22 hochwertige, seniorengerechte Wohnungen unterschiedlicher Größe, von 60 bis 130 Quadratmeter.
Im Stadtteil waren Stimmen laut geworden, die den Abriss der markanten Villa kritisierten. Neben dem architektonischen Wert habe das Gebäude auch über 100 Jahre ärztliche Versorgung im Stadtteil symbolisiert.