Essen-Rüttenscheid. . Die Stadt löste mit dem zentralen Platz 1906 ein Versprechen aus dem Eingemeindungsvertrag ein. Die einstige Pracht wurde im Krieg zerstört.
Der Rüttenscheider Markt gilt bis heute als einer der beliebtesten Wochenmärkte der Stadt – und kann im nun auslaufenden Jahr 2016 auf eine 110-jährige Geschichte zurückblicken.
Während sich erste Baupläne für einen zentralen Markt an der Klarastraße im Stadtarchiv sogar bis ins Jahr 1894 zurückverfolgen lassen, beginnt die offizielle Marktgeschichte erst im Jahr 1906. Dabei war die opulent bepflanzte und von Jugendstilhäusern gesäumte Fläche ein Geschenk der Stadt Essen an die Rüttenscheider, denen eine Eingemeindung zunächst widerstrebte. Doch die Stadt bot mehrere Anreize, um aus der eigenwilligen Ortschaft einen Ortsteil zu machen: So wurde den Rüttenscheidern neben den Marktrechten noch das Landgericht, die städtischen Krankenanstalten und eine Badeanstalt im Eingemeindungsvertrag von 1905 versprochen.
Platz sollte Gesamtkunstwerk sein
Dem Bauausschuss, der sich damals noch Baudeputation nannte, war an einem echten „Leuchtturm-Projekt“ gelegen, der Markt sollte städtebauliches Gesamtkunstwerk werden. Das geht aus einer Veröffentlichung Karl Sabels im Rüttenscheid-Jahrbuch von 1966 hervor. Demnach wurde sogar ein städtebaulicher Wettbewerb unter den Essener Architekten ins Leben gerufen und es wurden 1500 Mark für den Sieger ausgelobt.
Gebaut wurde schließlich ein Aufsehen erregender Brunnen, der „Flora“ gewidmet war und 1910 eingeweiht wurde. Darüber hinaus wurden eine Wartehalle für die damals noch junge Straßenbahn und eine Toilette gebaut. Zu den darauf folgenden Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg sind kaum Dokumente auffindbar. An einen Stollenbunker erinnern sich Zeitzeugen noch genau. Dokumente, die dies belegen, finden sich noch bei der Bundesanstalt für Immobilien.
Gerüchte, man könne die unterirdischen Katakomben bis heute begehen, widerlegt ein Vorfall vom 16. Dezember 1966: Ein durch den Bunker verursachter, drohender Tagesbruch zwang die Markthändler damals zu einem kurzfristigen Umzug auf einen Platz an der Klarastraße. Die Stadt beauftragte einen Unternehmer damit, die Stollenanlage zu verfüllen. „Entsprechend ist der Bunker bei uns auch nur unter dem Stichwort ,verfüllt’ gelistet und muss nicht mehr kontrolliert werden“, sagt Bernhard Wunderlich, bergtechnischer Sachverständiger der Oberfinanzdirektion NRW, die sich mit allen Bauwerken aus dem Kriegsfolgengesetz befasst.
Bau einer Tiefgarage unter dem Markt war geplant
Der Untergrund des Rüttenscheider Markts sorgte erneut in den frühen 1990er-Jahren für Schlagzeilen: Damals gab es Bestrebungen, eine Tiefgarage zu bauen. Laut einem Artikel aus der „Essener Revue“ waren in der Tiefe drei Etagen geplant, die Platz für 500 Autos bieten sollten. Die von einer Architekten-Arbeitsgruppe ausgearbeiteten Vorschläge waren bereits weit gediehen, scheiterten am Ende jedoch an einem fehlenden Investor – ebenso wie in den frühen 2000ern, als das Thema erneut auf den Tisch kam.
Die jüngsten Neuerungen auf dem Markt versuchen viel eher, das Alte zu erhalten: So wurde der in den 1950er-Jahren von Folkwang-Kunstprofessor Adolf Wamper geschaffene Marktbrunnen im Jahr 2007 auf Bestreben der Interessengemeinschaft Rüttenscheid erneuert, nachdem er 20 Jahre lang verwahrlost war.
Dank bürgerschaftlichem Engagement konnte in diesem Jahr einem weiteren, vergessenem Kunstwerk zu alter Strahlkraft verholfen werden: Dank der Initiative „Zoo muss leuchten“ ist die Lichtskulptur von Künstler Albert Hien auf dem Dach des Kiosks an der Klarastraße seit November wieder in Betrieb.
Rüttenscheid im Wandel
Zu alten Glanzzeiten des Rüttenscheider Markts wurde 1907 auch der Rüttenscheider Hof gebaut. Da er den Platz gemeinsam mit dem benachbarten Ensemble einrahmte, bedauerten viele Rüttenscheider den Abriss im Jahr 2011.
Dort hat die Wohnungsgenossenschaft Essen-Nord im Jahr 2013 ein modernes Mietshaus eröffnet.
Historische Sammlung gibt es im Internet
Essener Stadtgeschichte und historische FotosZahlreiche Dokumente zur Geschichte des Stadtteils hat die Interessengemeinschaft Rüttenscheid im Internet zusammengetragen: Auf igruettenscheid.de findet sich unter dem Reiter „Rüttenscheid/Geschichte Rüttenscheids“ eine einzigartige, digitalisierte Sammlung.
Dort finden sich 1800 historische Fotos und Postkarten, die den Stadtteil im Wandel der Zeit zeigen. Zudem sind dort alle alten Jahrbücher einsehbar, nach Themen sortiert. Von historischen Höfen über die Eingemeindung bis hin zur neueren Geschichte werden Hobby-Historiker dort fündig.