Essen-Südviertel. „Essens Kreative Klasse" ist keine geschlossene Gesellschaft. Der Beweis: Der Atelier-Laden „3mal” an der Rellinghauser Straße, in dem Jungdesignerinnen an einem Tag zum „Pimpen", also Aufpeppen, alter Kleidungsstücke aufgerufen hatten.

Im Atelier-Laden "3mal" erleuchten alte Schrankhüter in neuem Glanz: Jungdesignerinnen hatten zum Aufpeppen alter Kleidungsstücke aufgerufen. Dabei wurden auch die Besucher kreativ, um aus der Mode gekommene Lieblingsstücke mit frischen Accessoires zu verändern und sie so wieder zu echten Hinguckern zu machen. Den ganzen Tag lang war das kleine Ladenlokal jedenfalls ziemlich voll.

Kleiderschrank-Hüter - das war vorher. Beherzt griffen die Besucher selbst zu Schere, Nadel und Faden oder setzten sich an die Nähmaschine, was einen ganz besonderen Klangteppich zur Folge hatte. Stimmengewirr und Nähmaschinen-Knattern mischten sich mit ausdrucksstarkem Jazz-Gesang, denn die junge Sängerin Johanna Schneider griff immer wieder spontan zum Mikrofon und stimmte Titel wie „Ain't No Sunshine When She's Gone" an.

T-Shirt mit ideellem Wert

Berge von Stoffen, Spitzen, Knöpfen, Perlen, Bändern und anderem Zubehör halfen der Kreativität auf die Sprünge. „Hier waren heute Frauen von zwölf bis 60, auch einige Männer, die haben alles Mögliche mitgebracht: Hosen, Röcke, T-Shirts, Taschen", freut sich Modedesignerin Jana Januschewski über die gute Resonanz auf die Aktion. Da seien unmodern gewordene Designer-Stücke ebenso dabei gewesen wie das alte T-Shirt des Vaters mit großem ideellen Wert. „Manchmal hilft schon Kürzen oder einfach ein Tipp, wie man das Kleidungsstück neu kombinieren kann." Viele seien gleich mit mehreren Sachen gekommen und hätten auch nach Workshops oder Nähkursen gefragt.

Andere seien einfach neugierig auf den Laden gewesen und hätten die Gelegenheit genutzt, sich Armbänder aus Stoff und Leder zu fertigen, oder Broschen aus Stoffresten, die garantiert jeden noch so konservativen schwarzen Blazer zum modischen Hingucker machen.

Lust auf mehr bekommen

„Natürlich kann man in diesem Rahmen nur ansatzweise arbeiten. Aber wir machen schon deutlich, wohin es in Sachen Farb- oder Typberatung so geht. Die Leute sollen ja auch Lust auf mehr bekommen” sagt Jana Januschewski. So zum Beispiel Corinna Volke (26) und Melanie Matthieu (28), die selbst in Sachen Mode unterwegs sind und gerade eine Internetseite über das modische Auftreten der Essener erstellen. „Die Broschen sind gerade eben entstanden", freut sich Corinna Volke über ihre Ansteckblume aus Baumwolle, Jersey und Lederknopf, die garantiert niemand sonst hat.

Schmuckdesignerin und Stylistin Gülay Güleryüz ist am Arbeitstisch mit einer Gruppe aus Kommunikations- und Industriedesign-Studenten beschäftigt. „Wir wollten das hier mal kennenlernen", erklärt Sabine Steinmann (24). Jetzt stehen die Studenten um Gülay Güleryüz herum und lassen sich zeigen, wie man Stoff- und Lederreste zum Armband zusammenfügt.

Apfelkuchen kurbelt Kreativität an

„Zwei 13-Jährige haben sich in gut einer Stunde Taschen gemacht", ist Monique Kuhirt von den handwerklichen Fähigkeiten der Besucher begeistert. „Große Kleidungsstücke kann man natürlich in der Kürze der Zeit nicht herstellen, wohl aber kleine Dinge, bei denen man schnell ein Resultat sieht."

„Für die Kinder war die ganze Zeit etwas los, wie die Kreidebilder auf dem Gehweg zeigen", sagt Jana Januschewski und beißt in ein Stück duftenden Apfelkuchen, den eine Nachbarin gerade zur Verpflegung der kreativen Frauen vorbeigebracht hat. Im Laden denkt Modistin Christina Wallrodt, die ein Atelier in Düsseldorf besitzt, aber eng mit den Designerinnen im Südviertel kooperiert, gerade darüber nach, wie sie die alte Schirmmütze, die der Trägerin nicht mehr gefiel, ändern kann. Ein Mann sei mit seiner Frau gekommen, damit sie sich ein Geburtstagsgeschenk machen lasse. Und Aneta steht mit ihrer grünen Häkeltasche mit Bommeln - ein Überbleibsel aus den 70er? - in der Tür und hofft auf hübsche Umstyling-Ideen für das gute Stück.