Essen-Bredeney. . Vom berühmten Architekten Alfred Fischer stammt die Villa Heßberg, die abgerissen wurde. Ein Fallbeispiel über die Grenzen des Denkmalschutzschutzes.

Mit der Villa Heßberg am Stocksiepen in Bredeney hat der renommierte, von der Bauhaus-Moderne inspirierte Architekt Alfred Fischer ein bedeutendes Bauwerk geschaffen. Ende Mai wurde das Haus abgerissen. Wieder ein Stück Architekturgeschichte der Stadt weniger, mögen da viele zunächst bedauern. Gerade in Bredeney sind in den letzten Jahren einige Stadthäuser und Villen verschwunden, darunter in der Straße Hohe Buchen und am Markuspfad, wo Projektentwickler Arsatec ein neues Wohnhaus baut.

Im Fall der Villa Heßberg kommt noch eine bewegende Geschichte hinzu, an die es sich zu erinnern lohnt. Dr. Richard Heßberg, Chefarzt der städtischen Augenklinik, ließ die Villa nach dem Entwurf Fischers 1928 bauen. Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde er 1933 entlassen, konnte bis zum Entzug seiner Zulassung 1938 als Betriebsarzt bei Krupp unterkommen und floh 1939 in die USA. Auch Alfred Fischer selbst litt unter den Verfolgungen des NS-Regimes: Wegen seiner Leidenschaft für die zeitgenössische Avantgarde-Kunst entzogen ihm die Nationalsozialisten 1933 die Funktion als Direktor der Folkwangschule.

Dokumentation des Denkmalamtes

Viele Gründe hätten also dafür gesprochen, die Villa Hessberg ebenso wie das ebenfalls von Fischer entworfene Direktorenwohnhaus am Grashofgymnasium unter Denkmalschutz zu stellen. Diese Meinung teilte offenbar auch das städtische Amt für Denkmalschutz, das eine umfassende Dokumentation in Auftrag gab. Darin kommt Experte Martin Bach aber zu dem Schluss, dass sowohl innen wie außen in den vergangenen Jahrzehnten zu viel am Haus verändert worden sei. So wurden etwa neue Wände eingezogen und auch die stilgebenden Fenster ausgetauscht. Damit sei eine Einstufung der Villa als Baudenkmal nicht hinreichend zu begründen, urteilt Bach.

„Leider hatte das Haus seine Seele verloren, von Fischer war da am Ende nicht mehr viel übrig“, bedauert auch Architektin Anja Schnitzler, die die Villa 2009 kaufte und mit ihrem Projektentwicklungsbüro Bauart eine Etage bezog. „Schon damals war leider viel verbaut und auch die Bausubstanz schlecht. In seiner Studienarbeit über die Villa kam ein Mitarbeiter zu einem vernichtenden Urteil, was die energetische Situation betrifft“, sagt Schnitzler, die das Gelände nun neu bebauen möchte. Dabei sei es ihr keinesfalls leicht gefallen, die Abrissbagger zu bestellen. „Ein Haus abzureißen, tut immer weh. Dass Teile meines neuen Entwurfs für die fünf geplanten Terrassenwohnungen nun auch an Fischer erinnern, ist während der Arbeit passiert und war nicht geplant“, sagt die 51-Jährige, die nach eigenen Angaben ein Faible für außergewöhnliche Objekte hat.

Neubau soll 2016 bezogen werden

So entwarf sie für einen Rundbunker der Stadt Bochum ein Konzept für die Nutzung durch Künstler, restaurierte mit viel Liebe zum Detail einen Altbau in Mülheim. Eigenen Charakter müssten die Häuser haben, findet Schnitzler. Einen solchen möchte sie nun dem Neubau am Stocksiepen einhauchen. Im Sommer/Herbst 2016 sollen die fünf Eigentumswohnungen mit Größen zwischen 160 und 320 Quadratmeter bezugsfertig sein; drei sind bereits verkauft.

Viel Luft, viel Raum, viel Licht – so beschreibt sie ihre Bauphilosophie, die an das Credo der Bauhaus-Moderne erinnert. Keinesfalls sollen „Schuhkartons“ entstehen, doch müsse moderne Architektur auch eine Chance gegeben werden, findet Schnitzler. „Nicht jedes schöne und alte Haus lässt sich erhalten. Das Thema Denkmalschutz ist sicherlich ein streitbares.“ Das habe man etwa bei der Debatte um die Beitz-Villa sehen können. „Wegen des Menschen, der sie bewohnt hat, ist dieses Gebäude sicherlich erhaltenswert. Nicht aber, weil sie von architektonischer Bedeutung ist, wie ich finde.“