Essener Süden.. Unzureichende Entwässerung in Essen: Tritt der von der Bezirksregierung Düsseldorf verordnete Baustopp in Kraft, dürfte in dem betroffenen Gebiet in Rüttenscheid und Bredeney nicht mal mehr ein Dachgeschoss ausgebaut werden, sofern es eine Toilette beinhaltet. Ein Baurechtsexperte schlägt Alarm.

Der von der Bezirksregierung Düsseldorf wegen unzureichender Entwässerung erlassene Baustopp für Teile Rüttenscheids, Bredeney und Stadtwald hat ein Beben los getreten. Gerd Ulrich Kapteina, Sprecher des Arbeitskreises Essen 2030 und Baurechtsexperte, spricht gar von einem „städtebaulichen Super-GAU“. Schließlich sind in diesem Teil der Stadt 600 Wohnungen in Planung, stehen zahlreiche wartende Investoren vor der Tür.

Nach Auffassung Kapteinas wäre selbst der schlichte Ausbau eines Privat-Hauses in dem betroffenen Gebiet nicht mehr möglich, „sofern in diesem Umbau eine Toilette vorgesehen ist und mehr Menschen in das Gebäude einziehen als zuvor.“ Wer also beispielsweise den Ausbau eines Dachgeschosses zur Mietwohnung plane, habe in den nächsten vier Jahren schlechte Karten. Ausgenommen sind nur bereits genehmigte Bauprojekte. Baurecht über einen Bebauungsplan ist in dem Gebiet (eine Karte gibt’s auf den Stadtteilseiten) bereits seit 2012 blockiert. Dass nun aber auch konkrete Bauprojekte unter dieser Schwelle betroffen sind, „ist an Dramatik nicht zu überbieten“, so Kapteina.

Ausschreibung der Arbeiten läuft aktuell

Dabei ist bereits seit 1998 bekannt, dass der Kanal, der durch das Walpurgistal fließt, den Abwassermassen nicht mehr Herr wird. 2004 wurde ein erstes Sanierungskonzept eingebracht. Das sah einen Umbauzeitraum von 2007 bis 2013 vor. Da sich die erste Planungsvariante wegen Schwierigkeiten beim Erwerb privater Grundstücke zerschlug, verzögerte sich die Sanierung weiter, begründet die zuständige Bau- und Umweltdezernentin Simone Raskob. Aktuell läuft die europaweite Ausschreibung der Arbeiten, die im Frühjahr 2015 beginnen und 2018 beendet werden sollen. Noch sei die Verfügung aus Düsseldorf nicht in Kraft getreten, warnt Raskob vor Alarmstimmung. Man werde nun versuchen, gemeinsam mit der Bezirksregierung noch eine Lösung zu finden, auch auf technischem Wege in Absprache mit den Stadtwerken. „Bis zum 9. Januar haben wir als Stadt die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Das werden wir natürlich tun und nach Alternativen suchen, Bauvorhaben an die Entwässerung anzuschließen“, so Raskob.

Eben das fordert auch die Politik: „Die Unmöglichkeit einer Flächenentwicklung in den betroffenen Stadtteilen ist ein unhaltbarer Zustand. Wir erwarten von der zuständigen Dezernentin, dass hier schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird“, so Thomas Rotter (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung. Außerdem forderte er, die Umstände aufzuarbeiten, die zur jetzigen Problematik geführt hätten. „Die größte Befürchtung ist“, so Thomas Rotter, „dass uns die Investoren davon laufen.“ Am kommenden Mittwoch soll das Thema im Stadtrat debattiert werden.

Tritt die Baustopp-Verfügung aus Düsseldorf tatsächlich in Kraft, könnte auf die Stadt eine Fülle an Regressansprüchen zukommen, warnt Gerd Ulrich Kapteina, Sprecher des Arbeitskreises Essen 2030.

„Anwälte stehen in den Startlöchern“

Ein konkretes Beispiel ist die Bebauung an der Veronikastraße durch den Immobilienentwickler Hopf, die im kommenden Frühjahr beginnen soll. Allein dort sind 56 Eigentumswohnungen in Planung, von denen ein Großteil bereits verkauft ist. Die Bauvoranfrage entschied die Verwaltung jüngst positiv, eine Baugenehmigung steht noch aus. Klaus Sälzer, Geschäftsführer der Hopf IEG, war gestern auf Anfrage dennoch positiv gestimmt, das Vorhaben trotz der aktuellen Ereignisse umsetzen zu können. „Wir sind in Gesprächen mit den Stadtwerken und auf einem guten Weg, gemeinsam eine Lösung zu finden“, sagte Sälzer. Führten diese Anstrengungen nicht zum Erfolg, behalte man sich rechtliche Schritte vor.

Die Verfügung aus Düsseldorf hätte auch Konsequenzen für die gegenüberliegende Fläche, die Opelhändler Van Eupen kürzlich an die Immobilienentwickler Adams & Partner verkaufte, die dort wohl auch Eigentumswohnungen planen. Lidl hatte im Frühjahr ebenfalls Interesse an dem Gelände gezeigt. Die Politik wollte eine Ansiedlung des Lebensmitteldiscounters verhindern, änderte flugs den Bebauungsplan – dahingehend, dass „Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten“ dort künftig ausgeschlossen ist. „Diese Änderung hat aber nur für zwei, mit Verlängerung maximal drei Jahre Bestand. Wenn an dieser Stelle nun so lange nichts passiert, könnte ich mir vorstellen, dass die Rechtsanwälte von Lidl bereits in den Startlöchern stehen“, so Baurechtsexperte Kapteina.

Dass der städtebauliche Stillstand zu einem Zeitpunkt komme, an dem das Quartier aufblühe und man auch mit Essen 2030 die zentrennahe Wohnraumentwicklung weiter vorantreiben wolle, ist für Kapteina schlicht „unfassbar“. Die Stadt sei in der Entwässerungspflicht und wisse schon lange um die Problematik rund um den Rellinghauser Mühlenbach. „Für Bürger, die in dem Bereich ein Baugrundstück erworben haben, kann diese Ordnungsverfügung den Ruin bedeuten, das macht doch keine Bank mit“, sagt Kapteina.

Mit dem Arbeitskreis Essen 2030 will er nun die klare Forderung an die Stadt formulieren, zumindest solche Bauprojekte zu genehmigen, für die bereits ein positiver Bauvorentscheid ausgesprochen wurde. Kapteina: „Außerdem fordere ich größten Einsatz von Politik und Verwaltung, um diesen Entwicklungsstopp abzuwenden.“