Essen. Wenn Corona-Teams in Schutzkleidung ins Haus kommen, gibt es „Gerede“, fürchtet ein Essener Bürger. Laut Stadt ist das nicht völlig vermeidbar.
Männer und Frauen, die in Schutzkleidung und vor den Augen der gesamten Nachbarschaft das Haus betreten – Dirk Müller* fand diese Aussicht beängstigend, als er jüngst meinte, Symptome der Viruserkrankung zu verspüren. Bei der Stadt wurde ihm erklärt, es gebe keine vollkommen diskrete, für das Umfeld quasi unsichtbare Möglichkeit, den Rachen-Abstrich bei ihm zu Hause vorzunehmen. „Ich finde das absolut diskriminierend und stigmatisierend. Ich wohne in einer größeren Wohnanlage. Das würde ja die gesamte Nachbarschaft und die halbe Straße mitkriegen, und dann geht die Gerüchteküche los.“
Gesundheitsdezernent Peter Renzel hat ein gewisses Verständnis für die Bedenken, auch wenn sie sehr selten geäußert würden, vermag aber so oder so an den Abläufen wenig zu ändern: „Die mobilen Teams versuchen aber, sich bei den Testungen so unauffällig wie möglich zu verhalten, damit eben kein ,Gerede’ aufkommt“, so Renzel.
Neutrale Autos und nur das Minimum an notwendiger Schutzkleidung
Die aktuelle Lage mit nicht übermäßig vielen Fällen ermögliche es, Fahrzeuge ohne Aufschrift zu verwenden, die unauffällig vor dem Haus stehen. „Feuerwehrfahrzeuge kommen nur zusätzlich zum Einsatz, wenn eine erhöhte Anzahl von Proben genommen werden muss“, betont Renzel. Und: „Wenn es möglich ist und die räumlichen Gegebenheiten vor Ort es hergeben, komplettieren die Probe-Aufnahmeteams die Schutzausrüstung erst im Eingangsbereich der Wohnung, so dass das Verfahren relativ unauffällig für die Nachbarn abläuft.“ Leider sei das aber nicht in jeder Einsatzsituation möglich.
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Was gar nicht gehe, sei der Verzicht auf die Schutzausrüstung: „Diese ist sehr wichtig für den Personalschutz und den Schutz der Allgemeinheit. Deshalb können hier keine Ausnahmen gemacht werden.“ In Essen sei die Kleidung noch vergleichsweise unauffällig und bestehe aus einem Schutzkittel, Schutzhandschuhen, Schutzbrille, Schutzmaske und Kopfhaube. Dass noch keine Einsatzkraft im Dienst an Corona erkrankt ist, zeige, dass dies genügt. Von einem „Astronauten-Look“ könne aber keine Rede sein.
„Skandalös, dass es in Essen keine Alternative zu der Praxis des Gesundheitsamtes gibt“
Dirk Müller überzeugt das nicht. Essener Krankenhäuser, die er angefragt habe, hätten ihm bedeutet, dass bei ihnen kein Corona-Test möglich ist. „Es ist skandalös, dass es in einer Großstadt wie Essen keine Alternative zu der Praxis des Gesundheitsamtes gibt.“ Er jedenfalls werde diesen Service auch bei Symptomen nicht in Anspruch nehmen. „Und ich könnte mir vorstellen, dass ich da nicht der Einzige bin.“
Viel Lob in der Fachwelt für Essener Weg
Die Praxis des Essener Gesundheitsamtes, dezentrale Rachenabstriche nur bei Verdacht vorzunehmen, wurde in der Fachwelt sehr gelobt. Der Rachenabstrich gilt als präziser, der Hausbesuch vermeidet Ansteckungsgefahren, die sich etwa in Arztpraxen ergeben könnten.
Auch Nachbarstädte machen es allerdings teilweise anders, so bietet Bochum Test-Zentren an. Umstritten ist auch die Ansicht von Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel, wonach präventive Massentests keinen Sinn ergäben.
Die Folge sei womöglich, dass man einen Verdacht – und sei er noch so vage – nicht abklären lasse, „sondern dass diese ungeklärten Fälle sich weiterhin in Supermärkten, ÖPNV, Restaurants etc. tummeln und möglicherweise weitere Infektionen verursachen“. Ob Müller selbst sich auch so verhielt, lässt er offen.
Für die Stadt hat der Hausbesuch den Vorteil, dass der Patient niemanden gefährden kann
Renzel jedenfalls sieht gerade im Hausbesuch den Vorteil, dass ein potenziell Kranker nicht durch die Stadt fahren muss, um sich testen zu lassen – und so auch die Gefahr, andere anzustecken, minimiert wird. Auch deshalb lehne er Test-Zentren und Massentests weiterhin ab. „Bis jetzt wurden immer Lösungen zur Zufriedenheit der Bürger gefunden.“ Als mögliche – für Renzel aber schlechtere – Alternative zu einem Test komme noch die Hausarztpraxis infrage. Allerdings dürfe ein potenziell infektiöser Patient dort auf keinen Fall andere Menschen gefährden.
*Der Leser wollte anonym bleiben, Name ist der Redaktion bekannt