Essen-Holsterhausen. Anna-Lena (10) gehört aufgrund einer Tumortherapie zu den Risikopatienten in Corona-Zeiten. Sie wohnt derzeit im Haus der Elterninitiative.

Mit einer schwierigen Zeit hatten Christine Bachmair und ihre Tochter Anna-Lena (10) gerechnet, als sie vor drei Wochen ihre Zimmer im Haus der Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder in Essen-Holsterhausen bezogen. Durch Corona müssen die beiden Österreicherinnen – wie andere auch – jetzt besondere Herausforderungen bewältigen.

Mutter und Tochter wohnen bei der Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder

Das zehnjährige Mädchen wird derzeit ambulant in der Uniklinik behandelt. Mit einer Protonenbestrahlung soll eine erneute Krebserkrankung verhindert werden, nachdem man bei ihr einen Tumor aus dem Kleinhirn entfernt hatte. „Durch die Therapie ist das Immunsystem enorm geschwächt“, sagt die Mutter, die gemeinsam mit Anna-Lena in den Räumen der Initiative an der Kaulbachstraße untergebracht ist. „Eine Infektion mit dem Corona-Virus bedeutet für Anna-Lena Lebensgefahr.“

https://www.waz.de/staedte/essen/ruettenscheid-suedviertel-holsterhausen/essener-aerztin-landet-hit-im-netz-und-startet-benefizaktion-id228345981.htmlMal einen Spaziergang unternehmen oder mit anderen Kindern aus der Einrichtung spielen, darauf muss die Zehnjährige verzichten. Den größten Teil des Tages bleibt sie in den Wohnräumen, lediglich zur Therapie verlässt sie die Unterkunft. Der Mutter ergeht es nicht viel anders. Sie müsse natürlich ab und zu einkaufen, aber ansonsten halte auch sie sich in ihrem Zimmer auf, berichtet die 39-Jährige.

Das Risiko, dass sie den Virus auf ihre Tochter übertrage, sei viel zu groß. „Als wir vor drei Wochen nach Essen gekommen sind, hätte ich nicht glauben können, wie sich durch Corona die Situation so verschärft.“ Ein Aufschub der Bestrahlung im Protonenzentrum wäre aber ohnehin nicht Betracht gekommen, denn die Tochter brauche die Therapie dringend.

Im Haus der Initiative ist der Kontakt untereinander auf ein Minimum geschrumpft

Ein Haus für Eltern und Kinder

Die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder wurde 1983 von betroffenen Eltern gegründet. Am Anfang stand die Idee, den Familien zur Seite stehen. Mit wöchentlichen Gesprächskreisen in der Klinik hat alles begonnen.

Das Elternhaus an der Kaulbachstraße wurde 1992 errichtet, damit Mütter und Väter während der stationären oder länger währenden ambulanten Behandlung ihrer Kinder ganz in deren Nähe sein können. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, dass die Kinder mit in dem Haus untergebracht sind.

Die Familien kommen aus verschiedenen europäischen Ländern zur Uni-Klinik Essen, um die Kinder hier behandeln zu lassen. Internetadresse: www.krebskranke-kinder-essen.de

Auf ein Minimum ist mittlerweile der Kontakt im Haus der Initiative geschrumpft, in der derzeit rund 20 Eltern mit ihren krebskranken Kindern eine Bleibe gefunden haben. „Dabei ist es gerade das Miteinander, das allen Beteiligten in dieser Ausnahmesituation Kraft und Hoffnung gibt“, erläutert Lara Krieger, Vorstandsassistentin im Verein und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Üblicherweise kommen die Familien bei Gesellschaftsspielen zusammen, sprechen miteinander über Sorgen und Ängste, machen sich gegenseitig Mut. Gemeinsames Singen und basteln gehört ebenso zum Programm, das nun auf Null heruntergefahren werden musste, erklärt Lara Krieger. Schwierig gestalte sich auch die Arbeit für die Sozialpädagogen, die die Familien begleiten und für sie ein offenes Ohr haben. Denn auch für solche Treffen und Termine würden die Abstandsregeln gelten oder auch die Vorgabe, dass nur immer zwei Personen zusammen sein sollten.

Corona hat sämtliche Pläne der Familie durchkreuzt

Corona habe ferner den Plan von Familie Bachmair durchkreuzt, dass „mein Mann mich hier in Essen ablöst“. Eigentlich wollte er zwei Wochen übernehmen, währenddessen sich seine Frau daheim um ihre zweite Tochter kümmert. Dass Österreich strikte Ausreisebeschränkungen erlassen habe, berichtet die Mutter, sei ein Hindernis. Zum anderen habe sie auch noch mal von ihrer Hausärztin den dringenden Hinweis bekommen, dass der Vater doch bitte zu Hause bleiben solle. Er arbeite im technischen Betrieb, komme mit vielen Menschen zusammen, da sei die Gefahr der Infektion riesig. Die Rückkehr von Mutter und Tochter nach Österreich ist eigentlich in drei Wochen und damit nach Ende der Therapie vorgesehen – eigentlich.

Doch nicht nur Bachmairs ist die Zukunft ungewiss, Lara Krieger weiß zudem von einer rumänischen Familie, bei deren Kind die Behandlung zwar inzwischen abgeschlossen ist. Eine Rückkehr in die Heimat komme aber für die Südosteuropäer derzeit nicht in Betracht. Für sie wäre eine vierzehntägige Quarantäne in einer vom Staat organisierten Unterkunft angesagt. Das scheine den Rumänen aber offensichtlich viel zu unsicher zu sein. „Sie bleiben derweil noch hier, wofür wir auch volles Verständnis haben.“ Ebenso wolle auch eine türkische Familie mit ihrem Kind momentan noch nicht den Rückflug antreten. Die Regierung habe Einreisenden Beschränkungen auferlegt, zudem habe die Familie den Eindruck, dass die Lage in der Türkei ungewiss sei.

Initiative sorgt sich um finanzielle Absicherung

Unsicherheiten sieht Lara Krieger auch auf die Initiative selbst zukommen. Denn durch Absage aller Veranstaltungen jedweder Art „fehlen uns sicher geglaubte Einnahmen“. Bei einem Bücherbasar wäre ein vierstelliger Betrag zusammengekommen, eine geplante Schlagerparty hätte einen beträchtlichen Erlös erzielt. Das seien nur zwei Beispiele von vielen. Fraglich ist es nach ihren Worten auch, ob Firmen wie bisher die Initiative noch sponsern können, wenn sie wirtschaftlich in Nöte geraten.

„Derweil bleiben unsere Ausgaben“, so Lara Krieger. Ein Teil sei für die Lohnkosten der Sozialpädagogen als auch der Reinigungskräfte erforderlich. Beide Teams brauche man dringend, die einen für die Begleitung der Familien in schwierigen Zeiten, die anderen, um die hohen Hygienestandards einhalten zu können.