Holsterhausen. Manche fahren für die Sacherschnitten durch halb Europa. Holtkamp ist die älteste Bäckerei Essens. Der 150. Geburtstag wird groß gefeiert.

Diese Sacherschnitten! Dafür fährt Kerstin Friedrich um die halbe Welt. Zumindest fast. Lange hat sie in Holsterhausen gelebt, ist dann in die Schweiz gezogen, hat aber die süßen Schnittchen der Bäckerei Holtkamp nie vergessen. Und während nun Familie Holtkamp gerade in ihrer Bäckerei an der Kahrstraße über das 150-jährige Bestehen redet, kommt Kerstin Friedrich hereinspaziert.

Zufall? Alle lachen. Gerade hatten Bäckermeister Stefan Holtkamp und sein Sohn Konrad noch erzählt, was die (Stamm-) Kunden so sehr an dem traditionsreichen Backbetrieb schätzen. „Bei uns ist das Backen richtiges Handwerk. Wir setzen regionale Produkte ein und verzichten auf Fertigmischungen“, sagt Stefan Holtkamp. Die Pflaumen für den Kuchen kommen aus der Umgebung und die Erdbeeren ebenfalls. „Es kann sein, dass wir die Letzten in der Saison sind, die Erdbeerkuchen anbieten. Aber dafür sind unsere Früchte nicht grün, sondern schmecken wirklich nach Erdbeeren.“

Einmal quer durch Deutschland für die Sacherschnitten

Kundin Kerstin Friedrich nimmt für die Sacherschnitten von Bäcker Holtkamp weite Wege in Kauf.
Kundin Kerstin Friedrich nimmt für die Sacherschnitten von Bäcker Holtkamp weite Wege in Kauf. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die Sacherschnitten gehen immer. Sie sind nicht vom Saisonkalender abhängig. „Ich habe mich kreuz und quer durch die Republik probiert, aber so etwas finde ich sonst nirgendwo“, sagt Kerstin Friedrich. Die Dame aus der Schweiz, die gerade in Nordrhein-Westfalen zu tun hat und deshalb einen Abstecher in die alte Heimat unternommen hat, wird für diese Antwort von den Holtkamps zwar nicht bezahlt, aber mit einem dankbaren Lächeln belohnt.

Überhaupt sind sie hier eine fröhliche Runde. Auch wenn die Veränderungen in der Branche Essens älteste Bäckerei natürlich nicht sorglos zusehen lassen. „1970 gab es in Essen 240 Backbetriebe, heute sind es nur noch zehn“, sagt Klaudius Holtkamp. Der 21-jährige Sohn des Geschäftsführerehepaares ist sich sicher, dass er in das Familienunternehmen mit seinen derzeit fünf Geschäften in Holsterhausen und im Essener Süden einsteigen wird.

Ulrike Vrbanek arbeitet seit 42 Jahren bei Bäcker Holtkamp

Fest zum 150. Geburtstag Samstag auf der Kahrstraße

Das 150-jährige Bestehen feiert Essens älteste Bäckerei mit einem großen Straßenfest am Samstag, 10. August. Von 12 bis 17 Uhr gibt es rund um den Holtkamp-Stammsitz an der Kahrstraße 62 ein großes Programm.

Viele andere Betriebe und Nachbarn beteiligen sich. Unter anderem gibt es einen Torten-Talk, Spielstände, Hüpfburg, Kinderschminken, ein Bühnenprogramm mit Kinderliedersänger Heiko Fänger und viel zu essen.

Langjährige Holtkamp-Mitarbeiter werden geehrt, Kunden können auf einem Zeitstrahl eintragen, seit wann sie hier einkaufen, es werden alte Fotos gezeigt und OB Thomas Kufen wird erwartet.

„Ich fühle mich hier sogar wohler als in meiner Wohnung“, sagt er. Das sehen offenbar viele Mitarbeiter ganz ähnlich. Ulrike Vrbanek beispielsweise arbeitet seit 42 Jahren bei den Holtkamps. Täglich steht sie um 4.30 Uhr auf, damit sie um sechs Uhr in der Früh die ersten Kunden versorgen kann. Sie mag ihre Arbeit. „Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, etwas anderes zu machen.“ Und sie beobachtet, wie sich die Ansprüche an eine Bäckerei verändert haben. „Früher gab es zwei Brotsorten. Kasseler und Roggenmischbrot. In den 70ern kam das Körnerbrot dazu. Heute gibt es viel mehr.“ Wer als Bäcker mit der Zeit gehen möchte, muss auch Erfinder sein.

Ein Bild aus dem Jahr 1970: Hier steht Stefan Holtkamp, heute Bäckermeister, neben seiner Cousine vor dem Laden an der Kahrstraße.  
Ein Bild aus dem Jahr 1970: Hier steht Stefan Holtkamp, heute Bäckermeister, neben seiner Cousine vor dem Laden an der Kahrstraße.   © Holtkamp

„Wir stehen oft in der Backstube und entwickeln Rezepte“, sagt Stefan Holtkamp. Ehefrau Birgit fällt häufig der passende Name für neue Produkte ein. Zuletzt hat sie das „Flöhchen“ getauft, ein Brot mit Flohsamen, das ohne Roggen- und Weizenmehl auskommt. Denn auch das ist heute anders: Es gibt mehr Kunden mit Allergien oder Unverträglichkeiten.

Kerstin Friedrich hat damit keine Last. Bei ihr besteht höchstens die Gefahr, dass sie selbst etwas unverträglich wird – wenn sie zu lange auf Sacherschnitten verzichten muss.

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