Essen-Rüttenscheid. . Nach 50 Jahren verabschiedet sich Gastronom Miho Groseta Ende Mai in Rente. Als er in Essen anfing, kannten seine Gäste nicht einmal Peperoni.

Auf der rustikalen Anrichte im Innenhof des Restaurants Istra stehen so viele Familienbilder, dass kaum noch Platz für die selbst gebastelten Buchstaben und Zahlen bleibt. „M-I-H-O“ und eine große „77“ haben die Enkelkinder ihrem Opa Miho Groseta zu seinem Geburtstag im April geschenkt. Wenn der Koch und Gastronom das kroatische Traditionslokal in knapp vier Wochen schließt, will er sich mehr Zeit für seine sieben Enkelkinder nehmen.

Koch und Gastronom kam 1965 nach Essen

„Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber nach 50 Jahren ist es genug. Ich bin unglaublich dankbar, dass uns so viele Gäste so lange die Treue gehalten haben“, sagt Miho Groseta, der im März 1965 nach Essen kam.

Aufgewachsen in einem kleinen Ort in der Nähe von Dubrovnik, waren es vor allem die besseren wirtschaftlichen Aussichten, die den jungen Kroaten damals nach Deutschland brachten. Sein Onkel war zur damaligen Zeit Kellner im Dalmatien-Grill, der bis heute an der Hohenzollernstraße Balkan-Spezialitäten anbietet. „Er hat mich nach Essen geholt“, erinnert sich Groseta, der wenig später als Koch in Duisburg und Gelsenkirchen Erfahrungen sammelt.

„Am 29. Mai 1969 habe ich mich selbstständig gemacht. Fast auf den Tag genau 50 Jahre später werde ich aufhören“, erzählt Miho Groseta und Traurigkeit schwingt in seiner Stimme mit.

Erstes Istra öffnete an der Steeler Straße in Huttrop

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Am Standort der heutigen Warsteiner Stuben an der Steeler Straße in Huttrop eröffnet er das Istra: zu einer Zeit, in der selbst Peperoni für die meisten Essener etwas völlig Fremdes ist. „Ich habe in den ersten Wochen nach der Eröffnung Leute dafür bezahlt, dass sie sich an den Tisch ans Fenster setzen“, erzählt Groseta und lächelt. Das Istra gehört zu den ersten Balkan-Restaurants in Essen. Groseta tischt Spezialitäten wie Djuvec-Reis auf Ćevapčići auf – mit wachsendem Erfolg.

1976 zieht er mit dem Istra an seinen heutigen Standort an die Rüttenscheider Straße 159. Der Betrieb läuft so gut, dass Groseta das Restaurant in den 1990er-Jahren erweitert. Wo früher Pferdeställe und eine Leichenhalle waren, baut er einen überdachten Innenhof mit Panoramafenstern und Gesellschaftsräume für mehr als 200 Personen. „Mittlerweile ist das Restaurant viel zu groß, damals war es aber der richtige Weg“, sagt Groseta, dessen Gastgeber-Qualitäten heute etwas aus der Zeit gefallen scheinen.

Gestärkte Tischdecken, adrett gekleidete Kellner, Trockenblumen, rustikales Ambiente, eine Kegelbahn im Keller, fleischlastige Gerichte: Groseta weiß, dass all das nicht mehr gefragt ist, wie er selbstkritisch eingesteht: „Das wollen die jungen Leute ja alles nicht mehr, das weiß ich. Die haben in der einen Hand ihr Handy am Ohr und in der anderen einen schnellen Snack, den sie im Laufen essen.“

Sohn hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht

Dabei hat das Istra aller Systemgastronomie und Burgerläden im Umfeld zum Trotz noch immer ein großes Stammpublikum: „Wir schließen nicht aus wirtschaftlicher Not, im Gegenteil. Wir haben noch immer viele Stammgäste, manche von ihnen kommen täglich zum Mittagstisch“, sagt Miho Grosetas Sohn Tomislav. Für den 44-Jährigen ist das Istra seit seiner Geburt „Wohn- und Kinderzimmer“. Seit gut zehn Jahren führt der studierte Volkswirt die Geschäfte des Steakhauses.

Entsprechend habe auch er es sich mit der Entscheidung nicht leicht gemacht, das Lokal nicht in zweiter Generation weiterzuführen und stattdessen zurück in die Unternehmensberatung zu gehen: „Aber die Arbeitszeiten in der Gastronomie sind nur schwer mit Familie vereinbar. Ich habe drei kleine Kinder und möchte für sie da sein.“