Vor Corona hat das Online-Geschäft für viele kleine Händler kaum eine Rolle gespielt. Nun setzt ein Umdenken ein. Zwei Beispiele aus Essen.

Für Dalia El-Shaal begann das Jahr 2020 voller Hoffnung und Zuversicht. Gerade erst hatte sie ihren Unverpackt-Laden „Miss Planty“ in der Essener Innenstadt eröffnet, in dem sie Rohstoffe für Naturkosmetik verkauft. Auch ihre Workshops liefen gut an, immer mehr Kunden fanden in das kleine Geschäft auf der I. Weberstraße nahe der Kreuzeskirche. Doch dann kam Corona. „Auf den Tag genau zwei Monate nach der Eröffnung musste ich den Laden wieder schließen“, erinnert sich die 27-Jährige an den 18. März.

Dalia El-Shaal war geschockt. „Ich fühlte mich die ersten Tage wie gelähmt.“ Von einem auf den anderen Tag war ihr Geschäft auf Null gesetzt. Kein Verkauf, kein Umsatz, kein Einkommen. Als sie ihren Laden ins Leben rief, hatte sie absichtlich nicht auf einen Online-Shop gesetzt. Pakete, die noch dazu mit Dieselfahrzeugen durch die Gegend gefahren werden, die Städte verstopfen und mit Abgasen belasten – „das passte nicht zu meinem Konzept“, sagt sie. Auch glaubte sie nicht, dass sie mit den Preisen großer Anbieter im Netz mithalten könnte.

Online-Shop kurzfristig aufgebaut

Doch als Corona kam, musste Dalia El-Shaal umdenken. In wenigen Tagen richtete sie einen Online-Shop auf ihrer Internetseite ein, fotografierte ihre Produkte, schrieb kleine Texte dazu und stellte sie ins Netz. Dabei kam ihr auch die Idee, eine „Do-it-yourself“-Box zu kreieren. So packte sie alle notwendigen Zutaten für die Kosmetik in eine Schachtel und legte eine Anleitung dazu. „Ich hatte von vielen gehört, dass sie sich in der Corona-Zeit zu Hause langweilen. Also hab ich mir diese Box zum Selbermachen von Kosmetik überlegt.“

Reich ist sie mit den Online-Umsätzen in dieser Zeit nicht geworden. „Ein paar Bestellungen aber habe ich bekommen. Es war einfach ein gutes Gefühl, doch etwas verkaufen zu können“, sagt sie rückblickend. Seit 20. April hat sie ihren Laden wieder geöffnet. Es läuft langsam wieder an. Vor allem aber die größeren Workshops, die sie derzeit nur für maximal fünf Personen anbieten darf, fehlen ihr beim Umsatz. „Corona hat mich total zurückgeworfen“, sagt sie.

Auch wenn ihr Geschäft vor allem vom Riechen und Fühlen ihrer Naturprodukte lebt, will sie ihren Online-Shop nun weiter ausbauen. „Ich denke mittlerweile, dass das eine das andere nicht ausschließt.“

Digitalcoach hat noch freie Termine

Vom 6. bis 10. Juli 2020 bietet der Digitalcoach Markus Schaaf Beratungen für die Einzelhandelsunternehmen in Essen an. Hilfestellung gibt es u.a. bei Suchmaschinenwerbung und -optimierung. Der Coach informiert zu Social Media und zur Einrichtung von Online Marktplätzen und unterstützt bei Mediaplanung, der Auswahl von Software Tools sowie der Analyse einer digitalen Markterschließung.

In der Zeit von 8 bis 17 Uhr können individuelle Gesprächstermine vereinbart werden. Für die Beratungsgespräche stehen jeweils 60 Minuten zur Verfügung. Die Gespräche werden online mit der Konferenzsoftware ZOOM durchgeführt. Die Beratungen sind kostenfrei.

Es sind noch Termine frei. Die Buchung ist über die IHK über den Link www.essen.ihk24.de/Digitalcoach möglich. Zur Vorbereitung auf die individuellen Gesprächstermine werden die Themen erfragt.

So wie bei Dalia El-Shaal hat Corona offenbar viele kleine Händlern zum Umdenken gezwungen. „Die Händler, die vor Corona keinen Onlinevertrieb hatten, hatten während des Shutdowns plötzlich ein riesiges Problem“, sagt Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Essener Einzelhandelsverbandes. Gleiches galt für diejenigen, die bis dahin ihren Online-Shop eher nebenher laufen ließen. Den betroffenen Händlern wurde spätestens jetzt klar, dass sie etwas tun müssen. Vorher hieß es häufig: Onlinehandel sei für kleine Ladenbesitzer zu teuer, zu aufwendig und bringt nichts. „Doch Corona beschleunigt das Thema Digitalisierung nun enorm“, so Heistermann.

Digitalcoach berät Händler

Er räumt freilich ein, dass es für kleine Händler äußerst schwer ist, gegen Internetriesen wie Amazon zu konkurrieren. „Es reicht sicher nicht aus, einfach nur online zu sein“, sagt er. Denn nur über den Preis könnten kleine Händler oft nicht mithalten. „Ich denke aber, dass Nischenprodukte in Verbindung mit anderen Leistungen funktionieren.“

Der Handelsverband NRW bietet seinen Mitgliedern momentan mehrere Webinare zum Thema Digitalisierung an. Laut Heistermann seien diese „enorm nachgefragt“. Kommende Woche hat der Verband zusammen mit der IHK und der Essener Wirtschaftsförderung in Essen eine Beratung organisiert. Ein Digitalcoach gibt Händlern die gesamte Woche jeweils in einstündigen Gesprächen individuell Tipps, wie sie sich online besser aufstellen können. Das Angebot steht allen offen.

Dalia El-Shaal hat sich dafür angemeldet. Genauso Heike Postle. Sie besitzt mit ihrer Mutter Brigitte Schmidt die „Geschenk-Truhe“ in Kupferdreh. Vor vier Jahren waren sie von Velbert auf die Kupferdreher Straße umgezogen. Der Name „Geschenk-Truhe“ verrät dabei nur annähernd, was der Kunde darin findet. Wer sie betritt, taucht in eine kleine erzgebirgische Weihnachtswelt ein. Bis unter die Decke türmen sich Schwibbögen, Nussknacker, Engel, Bergmänner und Räuchermännchen auf.

Heike Postle und ihre Mutter Brigitte Schmidt führen in Kupferdreh die „Geschenk-Truhe“.
Heike Postle und ihre Mutter Brigitte Schmidt führen in Kupferdreh die „Geschenk-Truhe“. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Schon seit 1962 verkauft die heute 81 Jahre alte Brigitte Schmidt die erzgebirgische Holzkunst im Ruhrgebiet, die hier ihre Liebhaber gefunden hat. „Viele, die zu uns kommen, schnuppern Heimat“, sagt Heike Postle. Damit war im März kurz vor dem wichtigen Ostergeschäft aber erstmal Schluss. Es war Corona. Dabei hatte sich Ostern für die „Geschenk-Truhe“ gut angelassen. „Wir hatten Anfang März so viele Osterhasen verkauft wie noch nie, seit wir hierher gezogen sind. Ich hatte das Gefühl, dass wir jetzt in Kupferdreh angekommen sind“, berichtet die Ladenbesitzerin.

„Geschenk-Truhe“ will Online-Shop sichtbarer machen

Als der Shutdown kam, schien es wie gerufen, dass Heike Postle schon im Dezember vergangenen Jahres einen Online-Shop aufgebaut hatte. Doch die Bestellflut blieb aus. Ostern kamen noch einige Bestellungen, im Mai gab es eine, im Juni gar keine. „Während der Corona-Zeit hab ich mich dann erstmals gefragt, warum der Shop nicht funktioniert.“

Heike Postle ahnt, dass es unter anderem an der Auffindbarkeit im Netz liegen könnte. Denn wer nach „erzgebirgischer Holzkunst“ bei Google sucht, der findet den Shop www.erzgebirge-nrw.de erst auf hinteren Seiten. Auch zeigt der Shop nur einen sehr kleinen Ausschnitt des Angebots aus dem Laden. Das will Heike Postle künftig ändern. Doch sie weiß auch: Der Aufwand, einen solchen Shop zu pflegen, ist groß. „Die wichtigste Frage, die mich dabei aber umtreibt: Wie bekomme ich die Begeisterung für all diese schönen Dinge ins Internet?“ Vielleicht kann ihr der Digitalcoach am Mittwoch darauf eine Antwort geben.

Marc Heistermann von Einzelhandelsverband ermuntert Händler, den Onlinehandel als Chance zu sehen. „Corona hat das Einkaufsverhalten der Menschen verändert. Und das wird sich nach Corona nicht mehr 1:1 zurückdrehen lassen. Der Händler muss da sein, wo seine Kunden sind.“ Außerdem kann heute niemand sagen, ob es im Herbst nicht wieder zu einem Shutdown kommt. „Dann ist es gut, einen Plan B zu haben“, so Heistermann.