Essen. . Die meisten alten Loren stehen draußen, zieren oft Vorgärten. In der Altenessener Traditionsschenke „Zum Kanonier“ dient eine als Biertisch.

„Prösterchen“ sagt Wirt Heinrich Ernst Fürchtegott Weller zu Stammgast Hans Wilhelm Körzel und stößt mit einem perfekt gezapften Stauder-Pils („meine Blume fällt nicht nach einer Minute zusammen“) auf den schönen Tag an. Die beiden Herren stehen lässig an ihrem Lieblingsplatz: Die gut erhaltene alte Lore, die mittels einer dicken Holzplatte zum Stehtisch umfunktioniert wurde und auf Schienen steht, ist der Blickfang in der Schenke „Zum Kanonier“ an der Heßlerstraße in Altenessen.

Seit 120 Jahren steht die Schenke „Zum Kanonier“ an der Heßlerstraße im Norden von Altenessen.
Seit 120 Jahren steht die Schenke „Zum Kanonier“ an der Heßlerstraße im Norden von Altenessen.

„Den Hunt hat mein Vater Heinrich irgendwann in den 1960er Jahren beiseite geschafft“, erzählt Heinrich Weller, den alle nur Heiner nennen, „das konnte er nur, weil er in Schacht Fritz Betriebsführer war. Nur der Bergwerksdirektor hatte auf der Zeche mehr zu sagen als er.“

Jahrelang stand die Lore im Schuppen

Jahrelang stand die Lore dann im Schuppen, „nur ab und zu hat mein Vater sie nach seiner Pensionierung gestreichelt“. Mehr ist erst einmal nicht passiert. Dann übernahm der gelernte Koch Heiner Weller 1993 das Altenessener Traditionslokal, das bereits seit 120 Jahren an der Heßlerstraße steht. Aus gutem Grund: Es gehörte schon immer der Familie. „Nebenan hat mein Großonkel jahrzehntelang eine Küferei betrieben.“ Und weil der Kanonier ein beliebter Treffpunkt für die alten Kumpel war und ist, stellte Weller das gusseiserne Bergbaurelikt mitten in den Schankraum und ließ eine Tischplatte anpassen. „Ist doch ein echt schönes Teil, nicht so neumodisch wie die dickbauchigen Loren“, sagt er und zeigt auf die Rutschen, die an beiden Seiten angebracht sind.

Das schöne Teil erinnert den 62-Jährigen natürlich an seinen Vater – und viele seiner älteren Gäste an die Zeit, als der Pütt noch der größte Arbeitgeber im Stadtteil war und die Bergleute nach Feierabend im Kanonier reinschauten, um sich ein frisches Blondes zu gönnen. Wer zu dreckig war, ging einfach in den benachbarten Hausflur und ließ sich das Bier durch ein eigens dafür gebautes „Kläppchen“ reichen. „Der konnte dann reinen Gewissens der Ehefrau sagen, dass er keinen Fuß in die Kneipe gesetzt hat.“

Ein besonderer Ehrenplatz

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Natürlich war auch Heiner Wellers Vater Heinrich, den in Altenessen alle nur unter seinem Spitznamen „der blaue Weller“ kannten, oft und gerne Gast im Kanonier. Neben seiner Liebe zum Bergbau war er auch dem heimischen Fußball verbunden. „Mein Vater war lange Jahre Ehrenvorsitzender des SV Altenessen 12 und ein guter Freund von Helmut Rahn.“ Eine Erinnerungswand mit alten Fotos direkt hinter dem Lorenbiertisch zeugt von dieser Zeit.

Leider hat Wellers Vater nicht mehr miterlebt, dass sein Sohn einen besonderen Ehrenplatz für seinen Hunt fand. Er starb ein Jahr bevor Heiner Weller den Kanonier neu eröffnete. „Aber vielleicht guckt er ja aus dem Himmel ‘runter und freut sich darüber. Aber wahrscheinlich bekommt er eher Durst auf ein frisches Stauder, wenn er uns beide hier so sieht.“

Unseren interaktiven Loren-Atlas finden Sie hier.