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Rafael Cortés sitzt in der Lounge der Lichtburg, entspannt und glücklich: Soeben kommt er aus dem Studio. Die neue CD ist fertig. Rechtzeitig zum Konzert des Flamenco-Gitarristen am Montag, 13. Dezember, soll sie vorliegen.
Für Cortés ist seine neue CD etwas Besonderes: Zwanzig Jahre nach seiner ersten Studio-Aufnahme hat er sich einen Wunsch erfüllt und die CD selbst produziert. „Ich habe mein Erspartes zusammengekratzt und mir ein eigenes kleines Studio eingerichtet“, freut sich der Essener spanischer Herkunft. „So konnte ich die Aufnahme in Ruhe machen, ohne Zeitdruck, bei mir zu Hause im Bademantel.“
„Parando il tiempo“ ist der Titel der Silberscheibe: „Die Zeit anhalten“. Für Cortés hat der Satz einen tiefen Sinn: Aufgenommen hat er – mit einer speziellen Ausnahme – nur eigene Kompositionen. „Es sind Stücke, die jahrelang gewachsen sind“, erklärt er. „Entstanden sind sie aus Fragmenten, die mir zum Beispiel beim Einspielen ständig wieder in den Sinn gekommen sind, die sich allmählich entwickelt und in die Finger gestohlen haben, ohne dass ich es wahrgenommen habe.“ Irgendwann haben sich die Fragmente zu Melodien verdichtet. Und aus ihnen sind die Stücke geworden, die Cortés auf der CD und im Konzert am Montag präsentieren wird.
Eine Ausnahme gibt es, und dazu erzählt Cortés eine Geschichte: Es war auf seiner Tournee durch Polen. „Wir hatten gerade eine Fiesta im Tour-Bus gefeiert. Plötzlich höre ich im Radio ein Lied, einen Tango von einer Schellackplatte. Wow, was war das für ein Lied?“ Cortés fühlt sich, so sagt er, mitten ins Herz getroffen. Er fragt den polnischen Tour-Leader. Der kauft an der nächsten Tankstelle eine CD. Sie löst das Rätsel: Die schwermütigen Klänge sind von Mieczysław Fogg, einer polnischen Tango-Legende. „Der letzte Sonntag“ von 1936, so der Titel, hat Cortés noch auf der Tour zu einer Bearbeitung angeregt. In Polen hat er den Tango in einem Stadttheater gespielt. Die Reaktion des Publikums war überwältigend: „Alle sind aufgestanden, haben mitgesungen, mitgepfiffen, mitgeschunkelt.“
„Ich lebe nicht in Spanien, sondern im Ruhrgebiet“
In der Lichtburg steht der „letzte Sonntag“ auch auf dem Programm, von Cortés arrangiert und mit einem Dreivierteltakt unterlegt. Mit dabei am Piano: Oliver Scheytt, Geschäftsführer der Ruhr.2010 und einst Jungstudierender im Fach Klavier an der Folkwang Hochschule. Scheytt ist in dem polnischen Schlager auch auf der CD zu hören, „vielleicht seine Plattenpremiere“, orakelt Cortés.
Auch für die Fans wird die Platte Überraschendes bieten, ist er sich sicher: Kompositorisch hat er sich vom klassischen Flamenco entfernt. „Alle Flamenco-Gitarristen äffen mehr oder weniger Paco de Lucia nach. Ich möchte weiter gehen, denn man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt. Das ist riskant, ich weiß das“, sagt Cortés, „aber ich lebe nicht in Spanien, sondern im Ruhrgebiet. Wenn ich also ehrlich mit mir selbst bin, muss ich auf die Einflüsse reagieren, die hier auf mich einwirken.“
Aber er bringt auch Traditionen ins Spiel wie die „Alegría“, einen Tanzstil aus Cádiz, oder den afrikanischen Sechs-Achtel-Takt. „Wenn ich Traditionen verwende, dann mit ganz feinen Veränderungen. Ich will sie verständlich machen, sie aus der Musik heraus entwickeln. Ihren Ursprung muss man noch spüren“, erklärt Cortés sein Konzept. „Ich bin kompositorisch gewachsen. Daher bin ich überzeugt, dass diese CD meine bisher beste ist“. Im kommenden Jahr will Cortés wieder in Polen auf Tournee gehen, erstmals in die USA reisen und Spanien besuchen. Und mitnehmen wird er dabei auf jeden Fall den „letzten Sonntag“.