Essen-Kettwig. Steile Treppen, Graffiti am Eingang und jede Menge Dreck: Schlechte Noten für den S-Bahn-Halt Kettwig Stausee gibt Nachbar Winfried Brüggen.
Nachbar Winfried Brüggen ist entsetzt über die Zustände an der S-Bahnstation Kettwig-Stausee: „Schauen Sie sich mal die Treppen an. Das ist doch mordsgefährlich.“ In der Tat ist der Aufgang zum Bahnsteig in höchstem Maße marode. Es bröckelt überall. Die Unterführung ist mit Graffiti übersät und wird als Urinal missbraucht. Einige kaputte Stufen wurden bereits mit Metallschienen entschärft, viele Schadstellen aber lediglich mit Signalfarbe besprüht.
Unüberwindbare Treppe für Senioren und Müttern mit Kinderwagen
Wohl zur Warnung fügt Winfried Brüggen an: „Das ist seit Monaten so. Da tut sich nix.“ Und überhaupt könne hier von Barrierefreiheit keine Rede sein. Die für sie unüberwindbare Treppe bewirke aber, dass ältere Menschen oder auch Mütter mit Kinderwagen die Station mieden und umständlich mit Bus oder Taxi zur schon barrierefrei umgebauten Station in Kettwig fahren müssten. Winfried Brüggen zeigt auf die steile Treppe: „Und ein schweres E-Bike bekommen sie da auch nicht hochgeschleppt.“ Zumindest eine seitliche Führungsschiene könne man doch anbringen: „Da kann man dann seinen Drahtesel hochschieben oder den Hackenporsche.“
Depotcontainer-Standplatz ist eine echte Schmuddelecke
Seit 2013 wohnen die Brüggens in einem der Hochhäuser an der Werdener Straße und sind sehr zufrieden dort. Der Rentner und seine Frau Erika sind reiselustige Menschen, da hilft die unmittelbare Nähe zur Bahnlinie: „Wir besitzen zwar ein Auto, fahren aber gerne mit der Bahn und haben beide das Bärenticket. Da machen wir Ausflüge nach Hamm, in den Gelsenkirchener Zoo oder nach Schloss Benrath.“
Doch eines stört Winfried Brüggen ungemein: Das Erscheinungsbild der Station Stausee. Jetzt hat er sich schön in Rage geredet, da zeigt er noch eine weitere Schmuddel-Ecke. Ein paar Schritte weiter ist der Depotcontainer-Standort in einem verheerenden Zustand. Alles höchst unappetitlich. Und keiner fühlt sich zuständig? Den Bahnsteig selbst lobt Winfried Brüggen übrigens, der sei picobello. Allerdings zu tiefliegend, so dass der Einstieg in die Bahn schon schwerfalle.
Modernisierung des S-Bahn-Halt Kettwig Stausee ist von der DB nicht geplant
Eine Bahnsprecherin nimmt Stellung: „Das äußere Erscheinungsbild unserer Bahnhöfe ist uns sehr wichtig. Daher werden unsere Stationen regelmäßig gereinigt. Auch bei der Unterführung in Kettwig-Stausee ist dies der Fall.“ Man werde das Personal nochmals entsprechend informieren und sensibilisieren. Doch Hoffnungen auf Umbauten macht die Bahnsprecherin keine: „Eine Modernisierung der Station ist nach derzeitigem Stand nicht geplant. Die Treppe zum Bahnsteig wurde von Fachkräften geprüft und ist verkehrssicher.“
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Schlechte Noten für Kettwiger Station: „noch akzeptabel“
Die von der DB Regio zur Verfügung gestellte S-Bahnlinie S6 steht beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr seit Jahren in der Kritik. Bei der Kundenzufriedenheit rangiert die S6 im Vergleich aller 49 Bahnlinien im Bereich des VRR auf dem viertletzten Rang. Die befragten Fahrgäste kritisierten insbesondere fehlende Pünktlichkeit sowie zahlreiche Ausfälle oder Fahrten mit verminderten Sitzplatzkapazitäten. Der Verkehrsverbund beauftragt auch professionelle Tester, die regelmäßig alle 296 Bahnstationen nach den Kriterien Sauberkeit, Funktion und Graffiti bewerten. Kettwig-Stausee wird im aktuellen Stationsbericht unter „noch akzeptabel“ eingestuft. Allerdings wird bei dieser Bewertung fehlende Barrierefreiheit gar nicht berücksichtigt.
Der VRR will sich auch weiterhin für die einheitliche Bahnsteighöhe von 76 Zentimetern sowie ungehinderten Zugang zu allen Stationen einsetzen und dies auch finanziell unterstützen. Für die Station Stausee bedeute das: „Modernisierung erforderlich.“ Klingt doch gut. Prompt folgt aber die Ernüchterung: „Finanzierung nicht gesichert.“
Daniel Behmenburg beklagt „vorsintflutlichen“ Haltepunkt Kettwig-Stausee
Kettwigs SPD-Vorsitzender Daniel Behmenburg zur Station Stausee: Als Berufspendler steige er dort jeden Tag ein und könne die negative Kundenbewertung für die S6 nur bestätigen: „Oft herrscht Gedränge. Zu Stoßzeiten ist das echt abenteuerlich. Man steigt schweißgebadet aus.“ Dabei sei die Umfrage gar nicht vollständig: „Bei dieser Kundenbefragung fehlen noch diejenigen, die gar nicht erst einsteigen. Die entweder Verspätungen und überfüllte Züge scheuen, oder es einfach nicht die Treppe rauf schaffen.“
Die momentane Diskussion um den Klimawandel führe doch ganz klar dahin, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken: „Doch wie will ich die Leute auf die Schiene bekommen, wenn ich sie nicht auf den Bahnsteig bekomme?“
Dass ein barrierefreier Zugang kompliziert werden dürfte, sei klar: „Wir haben hier eine Berglage und einen Mittelbahnsteig. Ziemlich schwierig für einen Aufzug. Verstehe ich. Doch Barrierefreiheit würde gerade hier Sinn machen. Hier in vor der Brücke ist man in Sachen ÖPNV ohnehin so gut wie abgeschottet.“ Da leiste zum Beispiel der Bürgerbus unersetzliche Dienste. Und sollte sich der sogenannte „Quartiersbus“ in Werden etablieren, könnte das auch eine gute Idee sein für Kettwig.
Zur offenkundig als Urinal genutzten Unterführung fällt Behmenburg noch ein: „Die S6 ist eine lange Strecke von Köln bis nach Essen. Und die von der S8 ausrangiert übernommenen Wagen haben kein WC. Da muss man drüber nachdenken.“ Über die Station Kettwig-Stausee selbst fällt er ein drastisches Urteil: „Dieser Haltepunkt ist vorsintflutlich!“