Essen-Kettwig. Sie haben seit 65 Jahren das Reifezeugnis in der Tasche: Fünf Ehemalige des Theodor-Heuss-Gymnasiums stellten sich Schüler-Fragen.

Ein ungewöhnliches Altschülertreffen fand am Theodor-Heuss-Gymnasium statt: Abiturienten von 1954 diskutierten mit dem Pädagogik-Leistungskurs Q1. Fünf Ehemalige stellten sich den Fragen der aktuellen Schülergeneration.

Die Ausbildung war sehr streng, so viel steht fest für Hans-Jürgen Budde: „Wir haben viel büffeln müssen. Zum Beispiel in Latein bei Studienrat Huch, einem richtigen Pauker. Den haben wir deshalb heimlich Attila getauft. Aber es hat uns nicht geschadet. Letztlich sind wir alle was geworden im Leben.“ Genau da sieht Kurslehrerin Ardita Haziri den Gewinn für ihre Schüler: „Das Abitur ist der Schlüssel zum Erfolg. Da können Beispiele motivierend sein.“

Überhaupt, man spürt den großen Respekt vor diesen Mittachtzigern, die vor so langer Zeit ihr Abitur bauten. Wie Schulleiter Christian Koehn feststellt: „Solch eine Zusammenkunft ist doch höchst selten. Schon seit 65 Jahren das Abitur in der Tasche zu haben, ist für heutige Schüler schier unvorstellbar.“

Die erste Regierungspräsidentin

Raghilt Berve studierte Architektur in Berlin. Nach vielen Stationen war sie bis zu ihrer Pensionierung 1998 Regierungspräsidentin in Arnsberg – deutschlandweit die erste Frau in dieser Funktion. Armin Schulte, Jahrgang 1935, trat in die Fußstapfen des Großvaters und wurde Lehrer: „Für Geschichte und Latein.“ Seine erste Studentenbude lag noch mitten in den Trümmern des zerbombten Bonn. Heute lebt er in Köln.

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Hans-Jürgen Budde kam 1945 mit Mutter und drei Geschwistern nach Kettwig: „Unser Vater war in Gefangenschaft. So sind wir ins großelterliche Haus gezogen. Es waren harte Zeiten. Wir mussten sogar Kohle für den Klassenofen mitbringen.“ Nachdem der Klassenlehrer verstarb, sprang Buddes Vater ein: „Hör mal Filius, das ist kein angenehmer Job für mich. Du musst jetzt mehr leisten als die anderen.“ Budde landete in der Wirtschaft: „Ich konnte als Geschäftsführer eines Spitzenverbandes die Energiepolitik beeinflussen.“

In den Kriegswirren lebten sie bei den Großeltern

Auch Friedrich Karl Blindow war in den Kriegswirren nach Kettwig zu den Großeltern gezogen. Damals war Schule noch anders: „So etwas wie Mobbing gab es bei uns nicht.“ Als Schulsprecher hielt er die Abschlussrede: „Wir sind alle heilfroh, dass wir endlich frei sind. Meine Mutter wäre bei diesem Satz am liebsten versunken.“ Nach dem Abi kam er zum Tunnelbau. In Innsbruck leitete er eine weltweit tätige Spezialfirma, ist heute noch Berater.

Doris Hanchet ist eine Urgroßnichte von Carl Human und wohnte an der Meisenburg: In Sport hatte sie immer eine Eins. Und das hatte seinen Grund.

„Jeden Tag drei Kilometer zur Schule laufen, mittags zurück und nachmittags wieder den Berg runter und erneut rauf!“ Nach dem Jurastudium übernahm sie einen Lehrauftrag an der Höheren Fachschule für Sozialarbeit, wurde später Professorin. Verheiratet mit einem Engländer zog sie nach Norwich. Als Witwe möchte sie nun nach Essen zurück.

Alte Hasen haben auch einige Tipps für die Schüler

Haben die alten Hasen Tipps für die Berufswahl? Raghilt Berve schlägt vor: „Breitgefächert denken, Praktika machen, sich und den Job ausprobieren. Vor allem Mädchen sollten sich um Stellenangebote kümmern, die abseits der klassischen Frauenberufe liegen – technische Zweige und IT haben eine große Zukunft.“

Doris Hanchet: „Studieren Sie das, was Sie gerne machen. Berufsaussichten können sich schnell ändern.“ Hans-Jürgen Budde: „Bildung endet nicht mit dem Abitur. Sie werden gefordert im Beruf. Dazu gehört eine robuste Gesundheit.“ Respekt hatten die Nachkriegsschüler vor ihren Lehrern übrigens schon. Aber Raghilt Berve gibt zu: „Wir haben den Lehrern schon Streiche gespielt. Wir hatten einen Krieg hinter uns, da gab es keine Angst vor Schule.“

Finstere Nachkriegsjahre - viele litten Hunger

1946 betraten sie als Sextaner die inzwischen abgerissene neusprachliche Oberschule der Stadt Kettwig, an deren Stelle nun das THG steht. Raghilt Berve erinnert sich an die Nachkriegsjahre: „Eine finstere Zeit. Es gab Mitschüler, die Hunger litten. Zum Glück gab es Schulspeisung, das war so eine Haferflockensuppe.“ Damals gab es auch samstags Schule und der nach Geschlechtern getrennte Turnunterricht dauerte bis 14 Uhr: „Wir hatten Spaß am Sport. Schließlich gab es noch kein Fernsehen…“