Essen-Kettwig. . Am 1. März werden die Plätze für das kommende Kita-Jahr vergeben – doch die Wartelisten sind nach wie vor lang. Viele Eltern sind verzweifelt.
Zum 1. März vergibt die Stadt Essen die Kita-Plätze über das Online-Anmeldesystem „Little Bird“. Auch in diesem Jahr verläuft das nicht ohne Komplikationen. Aber ob die Technik nun funktioniert oder nicht – am katastrophalen Mangel an Plätzen, besonders im Bereich der Ü3-Kinder, kann auch das Computerprogramm nichts ändern.
Am Freitag sitzen in Kettwig Heike Kappert und Heike Hohendahl-Kuhlmann vor ihren Rechnern. Heike Kappert leitet die Kita St. Joseph in vor der Brücke und die Kita St. Matthias an der Rheinstraße; Kollegin Hohendahl-Kuhlmann zeichnet für die Einrichtung an der Corneliusstraße und die Ev. Kita Rheinstraße verantwortlich. Insgesamt fast 240 Mädchen und Jungen werden in den vier Einrichtungen betreut – und es gibt einen gemeinsamen Nenner: Die Wartelisten sind fast endlos lang.
Weiteres Problem: Es gibt so viele Ü3-Kinder wie nie
Die Technik macht es den beiden Frauen nicht leicht. Theoretisch würde es so funktionieren: „Wir fangen früh am Morgen an und erteilen die Zusagen. Dazu muss eigentlich nur ein Button gedrückt werden“, sagt Heike Hohendahl-Kuhlmann. Wird’s nichts mit dem ersehnten Kita-Platz, gibt es den Absage-Button. Aber hinter jeder dieser Aktionen steckt ein Schicksal. „Die Situation wird immer schlimmer. Es gibt so viele Ü3-Kinder wie nie“, weiß Heike Kappert. „Die Eltern sind verzweifelt.“
Und das zeigte sich besonders im Vorfeld des Vergabetages. „Die Eltern fragen uns, ob sie bei uns streichen sollen oder mal durchfegen, vielleicht am Wochenende helfen oder etwas für den Förderverein spenden können.“ Heike Kappert und ihre Kollegin haben schon alles Mögliche gehört. Und es sei der Wahnsinn, wie viele Familien in der letzten Zeit nach Kettwig gezogen seien – was nicht zur Entspannung der Situation beiträgt. Und auch wenn der Rechtsanspruch für Ü3-Jährige geltend gemacht werde, „gibt es dadurch keinen einzigen Platz mehr“.
Die Kommunen können die Last nicht allein tragen
Viel zu spät habe man auf die Entwicklung geschaut, auf die steigende Zahl der Kinder, die einen Platz benötigen – „aber die Last kann nicht allein die Kommune tragen. Da muss auch der Bund helfen.“ Heike Kappert hat gemeinsam mit dem Träger, der Kinder- und Jugendhilfe St. Peter, in ihrer Einrichtung schon auf die angespannte Situation reagiert und im Sommer 2018 eine Waldgruppe eröffnet. Die Begeisterung beim Jugendamt sei groß gewesen und die Unterstützung von allen Seiten ebenfalls. „Mit zehn Kindern haben wir begonnen und werden noch in diesem Jahr erweitern.“ Ausschließlich Ü3-Kinder werden in die neue Gruppe in St. Matthias aufgenommen. „Doch das ist definitiv nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Alle Eltern fiebern dem 1. März entgegen, sitzen oftmals schon vor dem Computer und warten auf die Bestätigung. „14 Tage haben sie dann Zeit, um den zugeteilten Platz zu bestätigen“, sagt Heike Kappert. Aber das gehe meistens sehr viel schneller. Absagen gebe es naturgemäß kaum, höchstens wenn mal ein Umzug anstehe.
Zwischen Beschimpfungen und Weinen
Schwierig seien die Tage danach. Wenn den Müttern und Vätern klar werde, dass es nicht geklappt hat, dass die ganze Lebensplanung durcheinander gewürfelt wird. „Dann steht das Telefon nicht still. Bei den Ablehnungen erleben wir alles zwischen Beschimpfungen und Weinen“, sagt Heike Hohendahl-Kuhlmann. „Warum kriegt der eine einen Platz und mein Kind nicht? Warum? Sie verstehen es nicht. Wie auch.“ Noch in dieser Woche hat sich eine Mutter gemeldet. Das Kind ist schon fünf Jahre alt, hat noch nie eine Kita besucht. Heike Kappert: „Da müssen wir einfach reagieren“.
Die Vergabe erfolgt in den vier Kitas nach sozialen Aspekten. Die Konfession spielt keine Rolle. Anfragen kommen auch aus anderen Essener Stadtteilen, aus Haarzopf, Werden, Heidhausen. „In diesem Jahr werde ich nur Kinder aus Kettwig aufnehmen, keines von außerhalb.“
Für 63 Kinder und ihre Familien ist der 1. März 2019 ein guter Tag. Sie werden von Heike Kappert und Heike Hohendahl-Kuhlmann eine E-Mal bekommen, mit der Zusage für einen Kita-Platz.
>>FACHKRÄFTEMANGEL
- Ein weiteres Problem: Bis 2025 werden laut Verdi insgesamt 500.000 Erzieherinnen und Erzieher benötigt – andere Prognosen sprechen von 300.000.
- „Für viele Mütter und Väter ist die Kindertagespflege oft der einzige Ausweg“, weiß Heike Hohendahl-Kuhlmann. Aber das könne auch nur eine Zwischenlösung sein.