Essen. Als sein Vater in der MediClin-Fachklinik in Kettwig lag, rief Raimund Deja den 84-Jährigen täglich an. Empört las er auf seiner Telefonrechnung, was ihn jeder Anruf in der Reha-Klinik minütlich gekostet hatte: 42 Cent pro Minute. Verbraucherschützer warnen vor Abzocke.

Den Satz „ich muss Schluss machen, es wird sonst zu teuer” hört man nur noch sehr selten beim Telefonieren. Seit Flatrates und günstige Handyverträge Normalität sind, macht sich niemand mehr Gedanken um die Länge eines Telefongesprächs. Auch Raimund Deja nicht, der in den vergangenen Wochen regelmäßig mit seinem Vater in der MediClin Fachklinik telefonierte.

Der 84-Jährige Vater lag lange in der Kettwiger Reha-Klinik, Deja rief ihn fast täglich vom Niederrhein aus an. Am Ende des Monats dann traute er seinen Augen kaum: Seine Handyrechnung betrug mehr als 50 Euro, dabei hatte er oft nur wenige Minuten mit seinem Vater gesprochen. Ein Blick auf die Einzelabrechnung verriet: Ein Gespräch mit dem privaten Patiententelefon, das am Bett seines Vaters stand, hatte ihn aus dem mobilen Netz 42 Cent pro Minute gekostet.

Medi-Clin Fachklinik Kettwig: „Wir sind auch nicht glücklich damit”

„Das ist eine Frechheit in einer Zeit, in der Telefonieren fast nichts mehr kostet”, empört sich Deja. Die Leitung, die die Krankenzimmer der MediClin Fachklinik führt, hat eine 0180er-Nummer. „Dass das ein bisschen teurer ist, war mir klar.” Mit derart hohen Kosten habe er aber nicht gerechnet.

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Silvia Neuhaus von der Medi-Clin Fachklinik erklärte gegenüber der WAZ, dass den Mitarbeitern des Kettwiger Hauses in dieser Sache „leider die Hände gebunden” seien. Die Regelung des Patiententelefons erfolge durch den Konzern zentral für alle Krankenhäuser. „Wir sind auch nicht glücklich damit”, meint Neuhaus. Es gebe aber durchaus Ausweichmöglichkeiten: „Wir haben zwei Münztelefone, die günstiger sind.”

Dafür muss der Patient allerdings sein Bett verlassen und selbst anrufen. Aus Neuhaus’ Sicht in der Regel kein Problem: “Die meisten unserer Patienten sind schon wieder mobil, denn wir sind eine Reha-Klinik und kein Akutkrankenhaus. Außerdem sind bei uns Handys erlaubt.” Ein Hinweis, über den Deja nur lachen kann. „Meinem Vater kann man kein Handy in die Hand geben. Der bekommt das nicht einmal entsperrt.”

Keine Extra-Kosten in Huyssen-Stift und Knappschafts-Krankenhaus

Nach der ersten Rechnung rief Deja nur noch aus dem Festnetz an - für 15 Cent pro Minute. Zum selben Preis konnte sein Vater auch ihn anrufen. Irgendwann fand Deja heraus, dass die Abrechnung nach einer bestimmten Taktung erfolgt: Früh morgens und spät abends ist das Telefonieren günstiger. Wie genau die Preise variieren, ist für den Anrufer jedoch kaum zu durchschauen.

Wer seine Angehörigen im Huyssen-Stift in Huttrop oder im Knappschafts-Krankenhaus in Steele anruft, zahlt dagegen gar nichts. „Das sind ganz normale Telefonanschlüsse - nur nach draußen telefonieren kostet”, sagt Björn Kasper, Sprecher der Kliniken Essen-Mitte. Wer im Krankenhaus liegt und ein Telefon am Bett haben möchte, zahlt 1,50 Euro Grundgebühr pro Tag und 17 Cent pro Gesprächsminute.

Im Alfried Krupp Krankenhaus wird das Telefon-System gerade umgestellt. In Kürze können Patienten für 2,50 pro Tag per Flatrate ins deutsche Festnetz telefonieren, angerufen werden können sie ebenfalls über eine normale Festnetznummer.

Verein Online-Verbraucherschutz warnt vor Telefon-Abzocke durch Kliniken

Die „Telefon-Abzocke“ in manchen Kliniken steht bereits auf der Agenda des Vereins Online-Verbraucherschutz. In Zukunft will der Verein „massiv dagegen vorgehen, dass Angehörige teure Tarife bezahlen müssen, wenn sie mit Patienten im Krankenhaus telefonieren”. Unter www.online-verbraucherschutz.org können Angehörige über eine Suchfunktion feststellen, welche Kliniken gebührenpflichtige Telefone einsetzen.