Essen.
Weil das Essener Landgericht erhöhte Fluchtgefahr sieht, hat es einen 24-jährigen Angeklagten noch im Gerichtssaal verhaften lassen. Laut Anklage entführte und vergewaltigte der Hertener seine Ex-Freundin in einem Waldstück in Buer.
Die Aussage fällt der Essener Studentin schwer. Sie weint viel. Rechts von ihr auf der Anklagebank sitzt der drei Jahre ältere Hertener Olcay K., dem sie vorwirft, sie in einem Waldstück in Buer vergewaltigt zu haben. Am Ende hat sie die VII. Essener Strafkammer offenbar beeindruckt. Das Gericht lässt den Angeklagten im Saal verhaften. Jetzt weinen seine Angehörigen.
Angeklagter soll mit Mord gedroht haben
Eifersucht, Besitzdenken – das mögen die Motive sein, die den Hertener beherrschten. 2005 hatte er die modern und aufgeschlossen wirkende Türkin kennengelernt. Doch schon früh zeugen Justizverfahren, dass er gewalttätig gegen sie ist. Immer wieder, so erzählt die 21-Jährige habe, sie ihn verlassen, doch immer wieder kehrte sie zurück. 2009 habe sie sich endgültig von ihm gelöst. Doch weiter habe er den Kontakt zu ihr gesucht. Mit Drohungen soll er ihre Beziehungen zu anderen Männern zerstört haben.
Laut Anklage lauerte der in Herten geborene Angeklagte ihr an der Essener Universität auf. Am 5. April hatte ihr neuer Freund sie zu ihrem Auto am Rande der Essener City gefahren. Dort stand Olcay K., der den neuen Freund zur Rede stellte, so dass dieser wegfuhr. Mit Gewalt soll der Angeklagte seine Ex-Freundin zunächst sexuell bedrängt und dann in sein Auto gezerrt haben. Er steuert den Wagen in Richtung Buer, weint dabei. Ist es Selbstmitleid, oder will er die 21-Jährige durch Tränen zur Rückkehr bewegen? Als er Richtung Wald fährt, greift sie ins Lenkrad. Prompt hätte er gedroht, sie umzubringen.
Im Waldstück zwingt er sie laut Anklage, sich auszuziehen, würgt sie und vergeht sich an ihr. Dann dreht er mit dem Handy ein Video von ihr. Er fährt los, kehrt wieder zurück in den Wald, zieht sich aus und legt sich auf die weiterhin unbekleidete Frau. Er versucht, in sie einzudringen, doch es funktioniert nicht. „Ich war zu aufgeregt“, sagt er selbst.
Mitarbeiter eines Altenheims alarmierten Polizei
Plötzlich klopft die Polizei an die Scheibe. Mitarbeiter eines Altenheims in Essen hatten die Schreie der jungen Frau gehört, als sie ins Auto gezerrt wurde, und die Polizei informiert. Ihre Handtasche samt Ausweis lag am Tatort. Per Handy-Ortung fanden die Beamten den Wagen in Buer und schritten ein.
Einen Monat saß Olcay K. in U-Haft, dann räumte er ein, gegen den Willen der Frau gehandelt zu haben. Nach diesem Geständnis setzte das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer den Haftbefehl außer Vollzug. Im Prozess vor dem Landgericht Essen widerrief er, sagte erneut, alles sei einvernehmlich geschehen. Erst nach der Aussage der Frau räumt er ein, dass sein Verhalten doch nicht ganz in Ordnung war: „Ich habe ihre Reaktionen falsch gedeutet.“ Das Gericht sieht durch die Aussage der Frau nicht nur den Verdacht für – wie angeklagt – eine Vergewaltigung, sondern für zwei. Wegen der dadurch erhöhten Fluchtgefahr müsse Olcay K. wieder in U-Haft.