Essen. .

Schwere Schlappe für Staatsanwaltschaft und Polizei: Nach 15 Sitzungstagen im Prozess um illegale Sportwetten sieht die I. Strafkammer keinen dringenden Tatverdacht mehr gegen die zwölf Angeklagten. Am Montag hob sie alle Haftbefehle auf.

Als großen Ermittlungserfolg hatten die Fahnder am 8. Juni 2010 ihre bundesweite Razzia gegen das Firmengeflecht der in Altendorf wohnenden türkischstämmigen Familie I. gefeiert. Mit Wettautomaten in Teestuben, Cafes und Kiosken sowie illegalen Sportwetten sollen die Brüder Yücel (47) und Yilmiz I. (40) innerhalb von zwei Jahren 120 Millionen Euro schwarz umgesetzt haben.

Verfahrensfehler sind es, die den Vorwurf der von Staatsanwältin Sabine Vollmer erhobenen Anklage jetzt erschüttern. Aufmerksam geworden war die Polizei auf die Familie I. durch den Tipp eines Informanten, dem Vertraulichkeit zugesichert wurde. Das war im Sommer 2009. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten wurde aber erst am 16. September eingeleitet. Was in der Zwischenzeit ermittelt wurde, befindet sich nicht in den Verfahrensakten, sondern möglicherweise unter fremden Aktenzeichen in anderen Verfahren. Dieser Verdacht ergab sich für die Kammer nach der Vernehmung von Frank Draganski, Ermittlungsleiter der Polizei.

Wurden die Wetten von Belgien aus betrieben?

Bekannt wurde dem Gericht auch, dass es Durchsuchungen bei einer belgischen Firma gab, die mit Familie I. verflochten sein soll. Auch darüber stand nichts in den Akten. Möglicherweise, so das Gericht, sei in Belgien für die Angeklagten Entlastendes ermittelt worden. Damit meint das Gericht, dass die Wetten von Belgien aus betrieben wurden, was den strafrechtlichen Vorwurf entkräftet.

Willi Kassenböhmer, Sprecher der Staatsanwaltschaft, kündigte an, dass Staatsanwältin Vollmer noch eine Gegendarstellung unterbreiten will. Kassenböhmer: „Wir sehen das nicht so wie das Gericht. Wir haben alles vorgelegt, was die Kammer für eine Entscheidung braucht.“ Rechtsanwalt Norbert Gatzweiler, der den Hauptangeklagten Yücel I. vertritt, warf den Ermittlern bewusstes Unterdrücken von entlastenden Erkenntnissen vor. Gatzweiler: „Der Beschluss, die Haftbefehle aufzuheben, ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten.“