Essen. Nach der beispiellosen Abi-Panne in NRW am Dienstag: Essener Schulleiter berichten von späten E-Mails vom Land und spontanen Rettungsversuchen.

Nach der beispiellosen Panne im Land NRW beim Herunterladen der Abituraufgaben für Mittwoch, 19. April, machen Essener Schulleiter ihrem Ärger Luft: „Die Schulen und die Schülerinnen und Schüler sind unnötig lange hingehalten worden“, sagt Frank Witzke, Leiter der Gesamtschule Holsterhausen.

Einer ersten Umfrage unter den Schulen in Essen zufolge war es offenbar nur sehr wenigen Gymnasien und keiner einzigen Gesamtschule im Stadtgebiet gelungen, die Abituraufgaben für die Fächer Bio, Physik, Chemie und andere pannenfrei herunterzuladen. Ab 12 Uhr saßen sämtliche Schulleitungen vor den Rechnern – die E-Mail aus Düsseldorf, dass die Prüfungen von Mittwoch auf Freitag verschoben werden müssen, kam um 20.33 Uhr.

Schulen halfen sich gegenseitig mit Downloads aus

Seit der Einführung des Zentralabiturs in NRW im Jahr 2007 müssen die Aufgaben am Tag vor den Klausuren in einem bestimmten Zeitfenster von einem Zentralrechner der Landesregierung heruntergeladen werden müssen. Das Gebot der Geheimhaltung spielt dabei eine größte Rolle: Die Aufgaben werden verschlüsselt per Download auf einen USB-Stick gezogen. Der USB-Stick wird dann in einen zweiten Computer gesteckt, der an kein Netzwerk angeschlossen ist. Dort werden die Aufgaben entschlüsselt. Schritt drei: An einem Drucker, der ebenfalls an kein Netzwerk gekoppelt ist, müssen die Aufgaben ausgedruckt werden.

Die ausgedruckten Aufgaben kommen dann in einen versiegelten Umschlag, der im Schultresor aufbewahrt wird. Dieser Umschlag wird erst unmittelbar vor Beginn der Klausur im Prüfungsraum geöffnet – alle Schritte erfolgen unter dem „Vier-Augen-Prinzip“, das heißt, es sind immer zwei Pädagogen beschäftigt.

Bei den Bio-Aufgaben gibt es eine weitere Besonderheit: Fachlehrer wählen aus den angebotenen Aufgaben die passenden für ihren Kurs aus. „Deshalb waren nicht nur die Mitglieder der Schulleitung, sondern auch viele weitere Kollegen bis in die späten Abendstunden in der Schule festgehalten“, berichtet Thomas Paus, Direktor des Gymnasiums an der Wolfskuhle in Freisenbruch.

Dort behalf man sich am späten Nachmittag mit einem Trick: Am Grashof-Gymnasium in Bredeney hatte der Download geklappt – Schulleiter Paus und seine Stellvertreterin fuhren von der Wolfskuhle hin mit einem USB-Stick und zogen sich die Aufgaben vor Ort in Bredeney auf den Datenträger. Ähnlich verfuhren benachbarte Schulen in anderen Stadtteilen, von denen bei manchen der Download klappte, bei anderen nicht.

„Eine technische Panne ist nicht das Problem, aber die späte Kommunikation“

„Dass auch im 21. Jahrhundert technische Pannen passieren können, ist nicht das Problem“, sagt Frank Witzke aus Holsterhausen. „Doch dass man so spät erst per Mail kommuniziert, ist ein großes Ärgernis.“ Das sehen viele Schulleiter so: Eine erste offizielle E-Mail des Schulministeriums, dass es flächendeckende Probleme gibt, kam bei den Schulen erst gegen halb vier an – dreieinhalb Stunden lang sahen sich die Beteiligten mit kryptischen Fehlermeldungen wie „Error 503 – Server unavailable“ konfrontiert. Oder „System geschlossen. Anmeldungen nicht möglich.“

Das Schulministerium bat die Schulen per E-Mail jeweils gegen 15.30 Uhr, um 17.11 Uhr, um 18.56 Uhr und um 19.57 Uhr, es weiter mit dem Download zu versuchen – immer wurden entsprechende neue Fristen benannt, bis wann das Problem technisch behoben werden sollte. Erst um 20.32 schrieb Staatssekretär Urban Mauer, dass die Prüfungen endgültig auf Freitag verschoben werden müssen.

„Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Kollegen und Schülerinnen und Schüler bereits aus den Medien erfahren, dass es offenbar größere Probleme beim Download gibt“, kritisiert Frank Witzke. „Sehr lange war niemandem klar, ob die Prüfungen stattfinden oder nicht.“

Mauer tauchte am Mittwoch Morgen übrigens wie geplant bei einem Repräsentationstermin vor der Bischof-von-Ketteler-Grundschule im Essener Stadtteil Bochold auf: Dort sollte das Engagement des Landes NRW bei der Schulfrühstücks-Initiative „Brotzeit“ prominent präsentiert werden. Die Schulministerin selbst hatte ihr Kommen kurzfristig abgesagt. „Keine Fragen zum Abitur“, sagte Mauer gegenüber Reportern morgens um sieben, als er aus seiner Limousine stieg. Er verwies auf eine Pressekonferenz der Schulministerin, die für 11 Uhr am Vormittag in Düsseldorf angesetzt ist.

Am Donnerstag, 20. April, werden Abiklausuren unter anderem in den Fächern Erdkunde, Pädagogik und Sozialwissenschaften geschrieben. Die Aufgaben müssen am Mittwoch, 19. April, ab 12 Uhr heruntergeladen werden.