Essen/Mülheim. Frank Richter hat nach sieben Jahren als Behördenleiter seinen Abschied verkündet. Die Entscheidung fiel aus gesundheitlichen Gründen, heißt es.
Nach sieben Jahren als Polizeipräsident von Essen und Mülheim hat Frank Richter (63) am Donnerstag sein Amt überraschend niedergelegt. Der gebürtige Essener scheidet nach über 46 Jahren in Polizeidiensten aus gesundheitlichen Gründen aus.
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Richter hat seine Entscheidung, von der nur engste Vertraute wussten, am Morgen mitgeteilt. Ein entsprechender Antrag um Versetzung in den Ruhestand ist dem Innenministerium zugegangen. Bis das Verfahren formal vollzogen sei, werde es noch dauern. Sein Rückzug sei allerdings von sofortiger Wirkung, heißt es.
Beamtinnen und Beamte bildeten ein Spalier
Um 7.15 Uhr mussten sich Beschäftigte im Foyer des Polizeipräsidiums einfinden, Beamtinnen und Beamte ein Spalier auf der Zufahrt an der Büscherstraße bilden, ohne den genauen Grund zu kennen. Es waren nur wenige Führungskräfte eingeweiht, bis ein Streifenwagen mit dem Chef an Bord ums Eck bog und der Behördenleiter von seinem Stellvertreter Detlef Köbbel unter Applaus der Anwesenden in das historische Gebäude geführt wurde.
Gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erklärte Richter später, dass ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen sei. Er habe den Rat seiner Ärzte „schweren Herzens“ befolgt. Er werde ab sofort keine dienstlichen Termine mehr wahrnehmen.
Die Behörde wird nun zunächst von Detlef Köbbel, Leitender Polizeidirektor, bis auf weiteres geführt. Ein Nachfolger für den Posten des Polizeipräsidenten stehe noch nicht fest.
Das Polizeipräsidium Essen hat eine Menge bewegen können
Das Polizeipräsidium Essen hat mit Frank Richter als Chef der Behörde in den vergangenen Jahren eine Menge bewegen können, teilte die Behörde nach der Verkündung seines Abschieds mit.
Die Bekämpfung der Clankriminalität, der Umzug aus der „alten Polizeischule“ an der Norbertstraße in ein „zeitgemäßes Polizeigebäude“ an der Theodor-Althoff-Straße, zahlreiche erfolgreiche Einsätze und Ermittlungskommissionen, die Einführung eines neuen Schichtdienstmodells, Feste und Feierlichkeiten wie das 110-jährige Jubiläum der Polizei Essen, fielen in die Amtszeit Richters. Zudem das umstrittene Aus für das Polizeipräsidium als Sitz der Behörde an der Büscherstraße.
„Diese Chats haben mich sehr getroffen“
Das „wunderschöne Präsidium“ aufgeben zu müssen, sei eine Entscheidung, „die mir schwergefallen ist“, beteuert Frank Richter. Doch das Gebäude sei weder groß genug noch zeitgemäß für die Anforderungen einer modernen Polizei.
Allerdings musste das Polizeipräsidium Essen auch andere Nackenschläge verkraften, die nicht nur die Belegschaft berührt und verunsichert, sondern auch den Polizeipräsidenten dienstlich und persönlich verletzt haben, wie er deutlich macht: die aufgeflogenen Chatgruppen, in denen Beamte der Behörde rechtsextremistische und menschenverachtende Inhalte verbreiteten.
„Diese Chats haben mich sehr getroffen“, schreibt Richter in einer internen Mitteilung an die Belegschaft: „Ich hätte ein Verbreiten derartiger Inhalte innerhalb der Polizei nicht für möglich gehalten.“
Offene Fehlerkultur und Wertediskussion
Aber auch in dieser Situation habe Frank Richter Rückgrat bewiesen und sich für eine offene Fehlerkultur und Wertediskussion in der Polizei Essen und Mülheim an der Ruhr eingesetzt, heißt es in der öffentlichen Erklärung der Behörde. Erwähnt wird nicht, dass der Polizeipräsident durch seinen Rücktritt als Vorsitzender des Polizeisportvereins und die Ernennung seiner Frau zur Extremismusbeauftragten durchaus Kritik einstecken musste.
Dennoch: Die sieben Jahre als Polizeipräsident in Essen und Mülheim an der Ruhr seien ihm „eine große Ehre und Freude“ gewesen, betont der Behördenleiter. Als ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW waren ihm Gespräche und persönliche Begegnungen „immer besonders wichtig“. Schon deshalb ist es Beobachtern nicht entgangen, dass sich der Behördenleiter in letzter Zeit immer mehr zurückgezogen hat.
Die Umstände, die dazu geführt haben, sein Amt niederzulegen, müsse er akzeptieren, so Frank Richter: „Ich weiß aber, dass alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich weiterhin mit ihrem unbändigen Engagement für die Polizeiarbeit, vor allem aber für die Menschen in unseren Städten Essen und Mülheim an der Ruhr einsetzen.“
Alles Gute für einen neuen Lebensabschnitt
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen findet es „richtig und nachvollziehbar“, dass der Behördenleiter auf seine Gesundheit Rücksicht nehme: „Gleichwohl verlieren wir einen engagierten und kompetenten Polizeipräsidenten.“
In seinem Amt habe Richter nicht nur die Zusammenarbeit der Polizei mit der Stadt Essen im Besonderen geprägt, sondern sich auch bei der Bekämpfung der Clankriminalität national und international einen Namen gemacht. „Seine Verdienste für unsere Stadt sind unbestritten“, ist Kufen überzeugt: „Meine Erwartung ist, dass die Nachfolge schnell geregelt wird.“
Die Kreisgruppe Essen/Mülheim der Gewerkschaft der Polizei (GdP) machte deutlich, dass Richter als ehemaliger Landesvorsitzender viel für die NRW-Polizei des Landes NRW erreicht habe. Er habe immer betont, die Behörden würden ohne die GdP nicht dort stehen, wo sie heute stehen. Der GdP-Vorsitzende Jörg Brackmann spielte den Ball am Donnerstag zurück: „Die Polizei NRW würde ohne Frank Richter auf jeden Fall anders aussehen – und mit absoluter Sicherheit nicht besser.“
Bei der Bekämpfung der Clankriminalität wichtige Weichen gestellt
Für Markus Bergmann, Vorsitzender des Essen/Mülheimer-Bezirksverbandes im Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK), sind die Leistungen Richters als Polizeipräsident naturgemäß entscheidender als seine Funktion in der Landes-GdP: In beiden Städten habe er „vor allem bei der Bekämpfung der Clankriminalität wichtige Weichen gestellt“.
Die Gewerkschaften, die Belegschaft des Präsidiums für Essen und Mülheim als auch der Oberbürgermeister wünschten Richter am Tag seines Abschieds insbesondere gesundheitlich alles Gute für einen neuen Lebensabschnitt.