Essen-Dellwig. 1907 wurde das imposante Gebäude gegenüber des Eingangs zur Zeche Levin errichtet. Nun muss Essen-Dellwigs älteste Gaststätte jedoch schließen.
Das Kneipensterben macht auch vor Dellwigs ältestem Wirtshaus nicht Halt: Am 30. November geht eine Ära zu Ende, werden die Zapfhähne in der traditionsreichen Gaststätte Zeche Levin für immer zugedreht. Aus gesundheitlichen Gründen hört die Wirtin Gaby Stolper auf.
Wie jeden Samstagabend sitzen Hans-Peter und Juliana Koll auf ihren Stammplätzen an der Theke. Viel los ist heute nicht, ein paar Gäste schauen das aktuelle Fußballspiel, zwei Männer spielen Pool-Billard und eine Gruppe am anderen Ende des Tresens würfelt und diskutiert dabei lautstark über die Sinnhaftigkeit von Schiedsrichterentscheidungen. „So isses eigentlich immer hier, nur früher war es voller“, sagt Hans-Peter Koll und nimmt einen großen Schluck aus dem Bierglas. Das Ehepaar ist wie die meisten anderen Gäste hier mit der Gaststätte Zeche Levin quasi verwachsen, „das ist mehr wie Heimat“, sagt der 71-Jährige. Seit 40 Jahren kommen die Kolls in die Eckkneipe, haben hier alle runden Geburtstage und Hochzeitstage gefeiert. „Das Haus hat einfach eine tolle Atmosphäre und eine lange Geschichte.“
Ein imposantes Gebäude
1907, in der Blütezeit des Steinkohlebergbaus, wurde das imposante Gebäude mit seinen Türmchen und Erkern erbaut, das bis heute ein Wahrzeichen im Stadtteil ist. Damals hieß die Kneipe noch Kasino und wurde nach der benachbarten Zeche Christian Levin benannt. Hier verkehrten keine einfachen Hauer, sondern die Hautevolee des Bergbaus: Die Steiger und Direktoren tranken im Kasino Levin nicht nur ein gepflegtes Bier, sondern feierten im großen Festsaal neben dem Gastraum auch so manche Feier. Später trainierten sogar Boxer im großen Saal, übte der Fußballverein DJK Dellwig 1910 in der Nachkriegszeit Spielzüge.
An diese Hochzeit erinnern die vielen Bergbau-Devotionalien wie Arschleder und Knappenuniform, Spitzhacke und Lederhelme, die an den Wänden hängen, und die alte Lore, die neben dem Eingang steht.
„Der große Saal ist heute leider eher ein Hindernis für die Verpachtung“, sagt Wirtin Gaby Stolper, „er ist einer der Gründe, warum ich keinen Nachfolger gefunden habe.“ Früher hielten hier Karnevals- und Schützenvereine, Tauben- und Kaninchenzüchter ihre Sitzungen ab, war der Saal jedes Wochenende ausgebucht. „Doch das war immer viel Arbeit. Dafür braucht man Personal und eine gute Küche“, sagt die 60-Jährige, „und das schreckt die meisten Interessenten ab.“
Wirtin aus Leidenschaft
Wirtin der Gaststätte Zeche Levin war sie mit Leidenschaft: Seit 1978 ihr Vater die damalige Wirtin Ulla Schraven heiratete, ist die Traditionskneipe in Familienhand. „Hier bin ich groß geworden, wusste also, worauf ich mich einlasse, als ich 2005 die Zeche Levin ganz übernommen habe.“
Viel hat Gaby Stolper investiert: Nicht nur in die Verschönerung und Renovierung der insgesamt 800 Quadratmeter großen Gaststätte, auch das denkmalgeschützte Haus hat sie den Erben abgekauft. Und sie sorgte wie eine Mutter für ihre Gäste, war offen für deren Sorgen und Nöte, hat mit ihnen gelacht und geweint.
An ihrer Seite war immer ihre Nichte Daniela Wusch, die sie tatkräftig unterstützte. Das waren die schönen Zeiten, an die sie sich gern erinnert. „Meine Gäste sind meine Freunde, meine Familie“, sagt sie. Jahrelang lief es gut, kamen die Vereine und Stammgäste wie Horst Hein und Egon Kurtz: „Wir sind gemeinsam alt geworden“, sagt Kurtz, „der Abschied fällt uns allen schwer.“
Doch der ist unumgänglich. Seit Gaby Stolper vor zwei Jahren schwer erkrankte, schob sie die Entscheidung vor sich her. „Vor anderthalb Jahren habe ich schweren Herzens die Küche zugemacht, aber ich habe das körperlich nicht mehr geschafft.“ Doch die Krankheit blieb und zehrt weiterhin an ihren Kräften. Deswegen folgt Gaby Stolper dem Rat ihrer Familie, Freunde und Ärzte und öffnet am 30. November zum letzten Mal die Türe der Traditionskneipe.
Und was geschieht mit der Einrichtung, den vielen Bergbau-Andenken? „Erst einmal bleibt alles so wie es ist“, sagt die Wirtin und fügt leise hinzu: „Mich von allem komplett zu trennen, das schaffe ich nicht.“