Essen-Dellwig. Seit inzwischen mehreren Jahren leben die Dellwiger mit verschiedenen Großbaustellen. Darunter leiden die Anwohner, aber auch die Geschäftswelt.

Nicht jeder Geschäftsmann kann die Dauerbaustelle auf der Haus-Horl-Straße in Dellwig so gelassen nehmen wie Bernd Peter. „Spaß macht es nicht, aber wir wollen unsere Bäckerei-Filiale in Dellwig nicht zu machen. Wir müssen die Baustelle aussitzen“, sagt er. Als großer Unternehmer sei er eben in der Lage, das Risiko zu verteilen. Andere können das nicht. Offenbar ist das Risiko, an wirtschaftliche Grenzen zu stoßen, für Unternehmer in Dellwig derzeit besonders groß. So haben sich Dagmar und Klaus Kisters entschlossen, zum Jahresende ihr Metzgerei-Geschäft Kuhlmann nach acht Jahren zu schließen. Drei Angestellte müssen sich neue Arbeitsplätze suchen.

Seit Jahren muss Dellwig mit Baustellen leben

Mit Baustellen kennen sie sich in Dellwig derzeit bestens aus. Die Entflechtung des Bachsystems rund um Levin- und Donnerstraße und die Erneuerung des Abwasserkanals in der Haus-Horl-Straße lassen den Stadtteil nicht zur Ruhe kommen. Und seit knapp einem Jahr erneuern die Stadtwerke Essen nun auf einer Länge von rund 650 Metern die Erdgas- und Wasserversorgungsleitungen. Zwischen Kraienbruch und der Prosperstraße schreitet eine Wanderbaustelle voran. Allerdings nicht so schnell wie von den Stadtwerken geplant. „Es gab Schäden an den Leitungen, die nicht eingeplant waren. Zwischenzeitlich wurden auch Firmen abgezogen, dazu kam die Ferienzeit“, erklärt Stadtwerkesprecher Dirk Pomplun die Verzögerungen. Die aktuelle Baustelle zwischen Pferdebrink und Kraienbruch werde aber etwa in zwei Wochen beendet. „Dann geht es weiter in Richtung Esso-Tankstelle.“

Darauf können aber Dagmar Kisters und ihr Ehemann Klaus nicht mehr warten. Sie haben sich schweren Herzens entschlossen, ihr Geschäft zum Jahresende zu schließen. „Zuerst hieß es, die Baustelle soll Ende 2018 beendet sein, dann in diesem Jahr, jetzt soll es sogar erst 2020 sein“, listet Klaus Kisters (73) die Gründe für die lange Durststrecke auf. Halteverbote schon weit vor der Baustelle, verlegte Haltestellen, Ampelregelungen, fehlende Hinweise auf die Geschäfte – es hat sich so summiert, dass die Stammkunden wie etwa die Handwerker aus den Gewerbegebieten nun ausbleiben. „Sie haben sich anderweitig orientiert“, weiß Klaus Kisters. Der 73-Jährige bezieht schon lange Rente, doch seine Ehefrau Dagmar müsste noch einige Jahre einzahlen. „Wir haben viel privates Geld in das Geschäft gesteckt. Aber der Wirtschaftsprüfer sagt uns, dass wir das geschäftlich nicht überleben. Deshalb ziehen wir jetzt die Reißleine.“

Nagelstudio-Betreiberin empfindet Lage als „fürchterlich“

Jolanta Najda vor ihrem Fußpflege- und Nagelstudion „Dein Date“. „Fürchterlich“ sei die Situation für sie und ihre Kundinnen.
Jolanta Najda vor ihrem Fußpflege- und Nagelstudion „Dein Date“. „Fürchterlich“ sei die Situation für sie und ihre Kundinnen. © Rüdiger Hagenbucher

So weit ist Jolanta Najda nicht. Aber auch die Betreiberin des Fußpflege- und Nagelstudios „Dein Date“ empfindet die aktuelle Lage nur noch als „fürchterlich“. Viele ihrer Kundinnen, auch aus Bottrop und Oberhausen, fänden keinen Parkplatz und versäumten so ihre Termine.

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Stadtwerkesprecher Dirk Pomplun kann den Ärger verstehen, wenn auch nicht immer nachvollziehen. „Wir brauchen auch Sicherheitsraum für unsere Mitarbeiter und Passanten vor und hinter unseren Baustellen, weil die Zahl der Autofahrer, die brutal zu Werke gehen, leider zunimmt.“

Einen anderen Grund für die Probleme sieht Klaus-Dieter Pfahl, Vorsitzender des Bürger- und Verkehrsvereins: „Der größte Fehler war es, den Kraienbruch für die Durchfahrt zu schließen.“

Demnächst kommt noch die nächste Brückensanierung dazu

In Kürze treffen sich die Stadtwerke noch einmal mit dem Amt für Straßen und Verkehr, um über die Verkehrsproblematik zu sprechen. Das Ergebnis ist offen. Sicher aber sei, dass die Stadtwerke ihre Arbeiten in der Haus-Horl-Straße vorerst nicht zu Ende führen. „Wegen der Brückensanierung der Deutschen Bahn“, sagt Dirk Pomplun.

Mit anderen Worten: Das Zeitalter der Baustellen ist in Dellwig noch lange vorbei. Und Bäcker Bernd Peter sagt fast resignierend: „Das ist wie höhere Gewalt.“