Essen-Dellwig. . Wer dem Tod begegnet, ist meist hilflos. Plötzlich fehlen die Worte: Sterben, Trauer und die Angst vor dem Ende sind Tabus. „Erste Hilfe“ kennt jeder. Doch auch für die letzten Dinge, die man regeln und entscheiden muss, kann man sich rüsten. Kirchen, Hospize, Pflegedienste und Senioreneinrichtungen bieten „Letzte-Hilfe-Kurse“ an. „Die Nachfrage ist groß“, weiß Gemeindepfarrerin Anke Augustin. Sie hat das vierstündige Angebot für Dellwig, Frintrop und Gerschede auf die Beine gestellt. Das Thema ist ethisch und juristisch schwierig: Es darf nichts unternommen werden, das einen Menschen tötet.

Wer dem Tod begegnet, ist meist hilflos. Plötzlich fehlen die Worte: Sterben, Trauer und die Angst vor dem Ende sind Tabus. „Erste Hilfe“ kennt jeder. Doch auch für die letzten Dinge, die man regeln und entscheiden muss, kann man sich rüsten. Kirchen, Hospize, Pflegedienste und Senioreneinrichtungen bieten „Letzte-Hilfe-Kurse“ an. „Die Nachfrage ist groß“, weiß Gemeindepfarrerin Anke Augustin. Sie hat das vierstündige Angebot für Dellwig, Frintrop und Gerschede auf die Beine gestellt. Das Thema ist ethisch und juristisch schwierig: Es darf nichts unternommen werden, das einen Menschen tötet.

Die erste Begegnung mit dem Tod

Schlagworte wurde auf blaue Zettel geschrieben.
Schlagworte wurde auf blaue Zettel geschrieben. © Socrates Tassos

Verhalten-distanziert startet der Nachmittag per Brainstorming: Mit dicken Stiften schreiben die neun 40- bis 70-jährigen Frauen Schlagworte auf blaue Zettel und legen sie kreisförmig auf den Boden. Fragen haben alle. Wie geht man mit dem Sterben um? Was hilft beim Trauern? Jede Teilnehmerin im Saal hat ihre Geschichte. Referent Andreas Weischede (53) eröffnet die Runde. Der gelernte Krankenpfleger und heutige Leiter des Seniorenstiftes Martin Luther ist Profi: Im Laufe seines Lebens hat er viele Menschen beim Sterben begleitet. Doch selbst er muss schlucken, als er vom endgültigen Abschiednehmen erzählt. Seine erste Begegnung mit dem Tod: Ein junger Mann wirft sich vor eine fahrende Straßenbahn und wird überrollt. Da war Weischede gerade vier und lief an der Hand der Oma. Einige Jahre später ist der Opa schwerstkrank: Der Junge darf nicht ins Krankenhaus und auch die Beerdigung ist für ihn tabu. „Zum Glück hat sich da einiges geändert“, sagt er heute. Man wendet sich den Sterbenden zu, erfüllt ihnen letzte, bescheidene Wünsche.

Gesundheitliche Vorsorgeplanung

In den 70- und 80er Jahren fand Sterben meist in Heimen und Kliniken statt. Keiner sollte damit unnötig konfrontiert werden. Heute möchten viele die letzten Tage und Stunden im vertrauten Umfeld verbringen. Wer später nicht sinnlos übertherapiert, sondern in Ruhe und Würde einschlafen will, sollte dies kundtun. „Ehepartner, Kinder und Verwandte müssen wissen, wie man sich das Ende vorstellt“, so Weischede. Im Seniorenstift heißt das „gesundheitliche Vorsorgeplanung“. Dazu rät er jedem. Das A und O sind Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Gute Vordrucke gibt es bei den Landesärztekammern, inklusive Formulierungstipps alles per Internet-Download. 2016 hatte der Bundesgerichthof die Anforderungen verschärft: Seitdem reicht ein unspezifischer Passus, der „lebensverlängernde Maßnahmen“ ausschließt, nicht mehr aus und ist nicht rechtswirksam. Wer früh persönliche Dinge rund ums Sterben regelt, entscheidet und schriftlich festhält, nimmt den Angehörigen viel Last. Weischede rät allerdings, solche Pläne ab und an zu überdenken. Vielleicht will man doch noch etwas ändern? Wie über den nächsten Urlaub solle man mit dem Partner auch übers Sterben reden.

„Loslassen zu können, hat so viel mit Liebe zu tun“

Mit dem Tod verknüpfen alle Teilnehmerinnen viel Persönliches. „Meine Mutter ist gestorben als ich 23 war“, berichtet Bettina Funke-Kaiser (49). Dann bricht es aus ihr heraus: Der Bruder tot, zwei Freundinnen haben ihre Kinder verloren, den Schwiegervater hat sie beim Sterben begleitet. „Am Ende ist für es die Angehörigen schlimm“, weiß sie. Der Abschied für immer ist für die Empfangsdame im Altenheim Alltag. Dennoch stößt sie an Grenzen, möchte lernen, Trauernde zu stützen. Nie wird sie den friedlichen Anblick der toten Mutter vergessen, als alles vorbei war. „Loslassen zu können, hat so viel mit Liebe zu tun.“ Eine andere Frau hat als Kind den Vater verloren. „Er ist im Krankenhaus gestorben.“ Eine Heilung gab es nicht, der Krebs hatte längst gesiegt. Bis zum Schluss wachte die Familie am Sterbebett. Heute denkt sie gern an diese Stunden.

Trauerbegleiter leisten praktische Hilfe

Mehr Mut zum Gespräch wünscht sich Marina Sprenger (56). In der evangelischen Gemeinde führt sie ehrenamtlich das Trauercafé. „Meine Mutter starb an Leukämie“, berichtet die Seelsorgehelferin. Die Familie ging offen mit der Krankheit um. Hospiz- und Trauerbegleiter leisteten praktische Hilfe. Weischede warnt: „Bei der Pflege überschätzen sich viele.“ Und manche Menschen wollen gar nicht von engsten Angehörigen gewaschen oder gefüttert werden, aus Scham oder anderen Gründen. Das müsse man akzeptieren. Die wichtigste Botschaft des Kurses: Sterben gehört zum Leben. „Ich hoffe, dass meine Frau später auch ohne mich glücklich ist“, sagt der Referent. Auch er hat vom Erfahrungsaustausch gelernt. Was einmal mit seiner Asche passiert, sollen die Kinder entscheiden. Denn: Trauer-Kult bleibt immer Sache der Hinterbliebenen.

>>NÄCHSTES TRAUERCAFÉ AM 15. MAI

  • Am ersten Montag im Monat findet von jeweils 15 bis 17 Uhr im Gemeindeheim der Friedenskirche in Dellwig ein „Trauercafé“ statt. Hier kann man sich austauschen.
  • Am 15. Mai, um 18.30 Uhr, referiert Dr. med. Uwe Preuße im Gemeindehaus, Schilfstraße 4, zum Thema „Wenn nichts mehr geht, geht viel“ über Palliativmedizin.