Essen. Das Verkehrskonzept der Stadt Essen sieht vor, künftig den Autoverkehr deutlich zurückzudrängen. Doch an diesem Plan scheiden sich die Geister.
Die Zukunft in Essen, sie sieht nur noch weniger als halb so viel Autoverkehr vor wie heute. Stattdessen soll bis spätestens 2035 die Wende vollzogen sein und die Bürger nur noch ein Viertel aller Wege mit dem Auto zurücklegen. Zu je einem Viertel bewegen sich die Menschen dann außerdem mit dem Fahrrad, mit Bus und Bahn und zu Fuß durch die Stadt.
Das ist der sogenannte „Modal Split“, den die Ratsmehrheit beschlossen hat und den Oberbürgermeister Thomas Kufen umsetzen will, wenn nötig auch mit Restriktionen gegen den Autoverkehr, wie er jüngst im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte.
Kufens Entschlossenheit, den vorhandenen Raum für Autofahrer zu verknappen und dafür Fußgängern und Radfahrern mehr Platz geben zu wollen, falls die Essener nicht von sich aus auf die umweltschonenderen Verkehrsmethoden umsteigen, sorgte allerdings für Empörung bei vielen Lesern dieser Zeitung. Nicht wenige fühlen sich von dem CDU-Politiker getäuscht und werfen dem sonst so beliebten OB vor, kurz vor der Kommunalwahl Wähler aus dem grünen Lager umschmeicheln zu wollen.
Kufen erfährt aber auch Zuspruch für seine harte Haltung in dieser verkehrspolitischen Agenda. An einer Umfrage unserer Redaktion beteiligten sich 75 Leser, deren Antworten deutlich dokumentieren, wie unterschiedlich die Erwartungen der Essener an ihren Oberbürgermeister und an das Mobilitätskonzept der Zukunft sind. Essen am Scheideweg:
Das sagen die Leser:
„Ich stimme unserem Oberbürgermeister zu. Im Vordergrund sollte die Sicherheit der Fußgänger und Fahrradfahrer stehen. Diese sind im fließenden Verkehr schutzwürdiger als Autos“, schreibt etwa Florian Radefeld.
„Man darf die Abhängigkeit vieler vom Auto nicht ignorieren, sei es wegen der Familie, der Arbeit oder wegen des Alters“, entgegnet hingegen Andrea Kalberg.
„Der Verzicht auf das Auto geht nur mit einer drastischen Reduzierung der ÖPNV-Preise“, schreibt Peter Imberg.
„Ich glaube, dass bei allen Parteien Einigkeit darüber besteht, dass man den Autoverkehr reduzieren sollte, und nach meinem Eindruck hat die CDU auch eine angemessene, ausgewogene Haltung dazu, dies über bessere Angebote statt über Zwang zu tun. Deswegen ist es so erstaunlich, dass der OB gesagt haben soll, dass man dies zur Not gegen den Willen der Betroffenen tun würde. Das ist unangemessen und undemokratisch und genau der Stil der Grünen, die man zurecht als Verbots-Partei bezeichnet“, ärgert sich Klaus Niebert.
„Mir scheint, dass es sich im Rathaus nur noch um Macht, jedoch nicht um das Wohl der Bürger dreht. Viele sind auf das Auto dringend angewiesen. Eine solche Herabsetzung einer breiten Mehrheit ist inakzeptabel. Wo bleibt das Wohl der Bürger?“, fragt Uwe Lehn.
„Meine Ehefrau und ich fahren gerne Fahrrad und wünschen uns eine Stadt mit vielen sicheren Radwegen. Wir unterstützen Herrn Kufen, wissen aber, dass es lange dauern wird, bis sich die Mehrheit dies wünscht“, merkt Fereydoon Yazdian an.
„Wenn man bedenkt, wie geduldig die Autofahrer im Berufsverkehr oder in den Ferien die Staus überstehen und trotzdem immer wieder neue Autos kaufen, dann ist das eine Abstimmung mit den Füßen gegen gut gemeinte verkehrspolitische Ziele“, betont Jürgen Welter.
„Selbstverständlich ist es richtig, politisch die Weichen zu stellen für eine Reduzierung des Autoverkehrs in Essen. Von weniger Lärm und besserer Luft profitieren alle Bürger. Die Maßnahmen können nicht nur mit einem Kuschelkurs durchgesetzt werden, aber Essen braucht zuerst ein komfortables ÖPNV-Angebot. Denn da ist noch viel Luft nach oben“, springt Susanne Jentsch dem OB bei.
„Jetzt hat auch Kufen den Geist aus der Flasche gelassen und den Autofahrer öffentlich zum Gegner der Verkehrswende erklärt. Der OB wäre sehr wahrscheinlich besser gefahren, wenn er nicht schon vorsorglich mit der Verbotskeule gedroht hätte, falls er mit seiner autofeindlichen Politik scheitern sollte. Das wirkt wenig souverän und übersieht außerdem das Recht des einzelnen auf freie Wahl seines Verkehrsmittels“, sagt Hubert Gleixner
„Ich wohne in Heisingen und arbeite in einem Rüttenscheider Büro. Von Haustür zu Haustür benötige ich mit dem Privatwagen knapp 15 Minuten, mit dem Bus (ohne nennenswerte Wartezeit an der Haltestelle) gut 45 Minuten. Es ergibt sich bei der Nutzung des ÖPNV wöchentlich ein zeitlicher Mehraufwand von acht Stunden, ein ganzer Arbeitstag. Noch Fragen?“, schreibt Michael Müller.