Essen. Blumensträuße im Hotel und Handküsse: So sieht es mitunter aus, wenn Alexander Krichel seinen Fans begegnet. Er ist eines der ganz großen Pianisten-Talente seiner Generation. Am kommenden Sonntag gibt er in der Philharmonie sein Essener Debüt.
Wenn Essens Publikum diesen jungen Ausnahmepianisten feiern würde, wie es andernorts längst der Fall ist, es sähe für Alexander Krichel kommenden Sonntag etwa so aus: ein halbes Dutzend Blumensträuße auf dem Hotelzimmer, Handküsse von Fans. So geschehen in Japan, in Venezuela... „Es ist einem ja fast peinlich“, lacht der Hamburger, aber er kann sich durchaus auch aufrichtig freuen, dankbar sein – und das Staunen nicht aufgeben, dass so viele auf der Welt ihm zuhören, zuhören wollen.
Dabei hat seine Mutter ihm früh einen Satz mitgegeben, der sich von Massen nicht abhängig macht: „Wenn nur ein Einziger etwas mitnimmt aus deinem Konzert, dann hat es sich gelohnt!“ Es sind aber viel mehr Menschen, nicht erst seit Alexander Krichel 2013 den „Echo Klassik“ für sein hinreißendes Album „Frühlingsnacht“ einheimste und bei der Verleihung mit der Hingabe seines Spiels die Menschen fast zu Tränen rührte.
Das Stück komplett beherrschen
Ja, er sucht beständig nach Tiefe, dem Wesentlichen. Wer ihn im Konzert erlebt, spürt förmlich, wie er in die Werke hineinlauscht. Es sind große Abende, zuletzt war er mit den berühmten Bamberger Symphonikern unterwegs, neue Verträge für Japan sind gemacht.
Es ehrt diesen Alexander Krichel, dass er nie ganz zufrieden ist, sich manchmal nach dem Konzert am liebsten nochmal an den Flügel setzen würde, immer beseelt vom Wunsch, den großen Meistern gerecht zu werden. Seine Freunde kennen das von ihm: Es gab sie bereits vor Jahren, die Tage, an denen Alexander auch mit den schönsten Angeboten nicht vor die Tür zu locken war. Er übte wie besessen: „Die einzigen Unterbrechungen sind Essen und Schlafen. Freunde nehmen mir nicht übel, wenn ich solche Phasen habe“, sagt Krichel. „Die wissen aber auch, dass ich die Zeit nicht genießen könnte, wenn ich das Stück nicht komplett beherrsche.“
Ein bescheidener, höflicher Aufsteiger
Stupende Technik, bestechend nuancenreiche Eleganz des Anschlags, auch Lust an Attacke und Überraschung: Man könnte vieles aufzählen, was diesen (auch mathematisch) Hochbegabten auszeichnet. Doch muss man ihn zuallererst als Seelenspieler würdigen.
Wie diese Jugend solche Reife zeitigt? „Ich habe auch Tod und Verlust erfahren“, sagt Alexander Krichel – Gefühle, die er beim Musizieren auslebt. Ihm zu begegnen ist übrigens das Gegenteil der Sparte „Handkuss und Blumenstrauß“: Einen so bescheidenen, überaus höflichen Aufsteiger trifft man im Reich der Töne selten. Essener sollten sein Philharmonie-Debüt am Sonntag nicht versäumen.