Essen. . Vor einem Jahr beauftragte die Stadt Essen die Firma European Homecare mit der Betreuung von Behelfseinrichtungen für Asylbewerber. Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen zeigen sich allerdings langsam die Grenzen der privatisierten Alles-aus-einer-Hand-Lösung.
Als Essens Sozialdezernent Peter Renzel vor einem Jahr in höchster Eile frühere Schulen in Dilldorf und Frintrop in Behelfseinrichtungen für Asylbewerber umwandeln musste, trat „European Homecare“ als Helfer in der Not auf den Plan: Das Privatunternehmen stellte Sozialbetreuung, Verpflegung und Rund-um-die Uhr-Aufsicht der Heime sicher. Bis dahin war die Firma mit dem eigentümlichen Geschäftsmodell nur den wenigsten bekannt, dabei existiert sie schon seit 25 Jahren und hat ihren Sitz in Essen. Tätig war sie zumeist außerhalb.
In ihren Dauerunterkünften hat die Stadt Essen bisher auf eine vergleichbare Betreuung verzichtet: „Man dachte lange, man kommt mit einem Unterkunftsverwalter aus“, sagt Sozialdezernent Peter Renzel. Die soziale Betreuung leisten Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie, und das Thema Sicherheit galt lange Zeit als Tabu, so Renzel rückblickend. Inzwischen habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, „dass ohne Aufsicht Lärm, Müll und Ärger zunehmen“.
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Nun schickt die Stadt ihre Servicegesellschaft RGE abends und am Wochenende auf Streife vor den Asylheimen. Bis zum ersten Quartal 2015 möchte der Sozialdezernent die 24-Stunden-Betreuung in allen Unterkünften installieren; sie sei „Stellschraube für ein friedliches Miteinander“. Kostenpunkt: unbekannt; zu unterschiedlich sei der Zuschnitt der Heime. Während etwa in den Behelfseinrichtungen Essen geliefert werde, bereiten sich die Bewohner der Dauerunterkünfte ihre Mahlzeiten selbst zu. Nur eine Summe nennt der Dezernent: Für die eher kleine Notunterkunft mit 50 Plätzen an der Pregelstraße zahle man monatlich 70 000 Euro an European Homecare.
Dezernent sieht keinen Grund, der Firma „sofort das Vertrauen zu entziehen“
Flüchtlingsheime in Essen
Das ist möglicherweise für beide Seiten ein gutes Geschäft, auf das nach den aktuellen Vorwürfen gegen Sicherheitsleute in Unterkünften des Landes ein Schatten fällt. „Wir bauen eine Behelfseinrichtung – keinen Knast“, hat Renzel im Herbst 2013 gesagt. Jetzt betont er, dass ihm aus städtischen Einrichtungen keine Übergriffe bekannt seien. Man überprüfe die Standards, mache Kontrollen; aber bisher habe er European Homecare als verlässlichen Partner erlebt und keinen Grund, der Firma „sofort das Vertrauen zu entziehen“.
Tatsächlich ist es in Frintrop wie in Dilldorf ja gelungen, eine aufgeheizte Nachbarschaft zu befrieden. Die Anwohner nahmen European Homecare-Team nicht nur als Aufsicht sondern als Ansprechpartner wahr: Hier konnten sie Spielzeug genauso anbieten wie Deutschkurs oder Hausaufgabenhilfe. Erst im Juli lobte die Stadt das „erfolgreich erprobte Konzept“, Renzel nannte Dilldorf eine Vorzeigeeinrichtung.
Betreuung der Behelfsheime: Wohlfahrtsverbände sind nicht gefragt
Es schien fast, als seien die Wohlfahrtsverbände überflüssig – und hätten sich damit abgefunden. Das ist falsch: Sie sind vor einem Jahr, als es um die Betreuung der Behelfsheime ging, gar nicht gefragt worden: Die Vergabe an European Homecare erfolgte damals – mit Okay der Aufsichtsinstanzen – freihändig. Dass das der besonderen Notlage geschuldet war, sahen freie und kirchliche Träger ein.
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„Wir sind danach aber auf die Stadt zugegangen und haben an unsere guten Leistungen erinnert“, sagt etwa Caritas-Direktor Björn-Enno Hermans. Man habe zur Antwort bekommen, man sei als Partner weiter willkommen, so lange man ebenfalls alle Leistungen aus einer Hand biete. „Ich fände es jedoch schräg, wenn die Diakonie oder wir als Caritas einen Sicherheitsdienst organisierten. Das tun wir nicht.“ Als Anwalt und für die soziale Begleitung der Flüchtlinge seien freie und kirchliche Träger aber weiter der erste Ansprechpartner. Auch eine 24-Stunden-Betreuung biete man gern, wenn die Stadt dafür entsprechend bezahle.
Das dürfte ein Teil des Problems sein:
Asylheime: Wohlfahrtsverbände können nicht so günstig arbeiten wie Privatfirmen
Das dürfte ein Teil des Problems sein:
Bei Kosten von vermutlich 25 Millionen Euro, die in diesem Jahr für Unterkünfte und Sozialleistungen anfallen werden, ist der Spielraum der Stadt begrenzt. Auch bei einer Ausschreibung kämen also womöglich die straffer kalkulierenden Privatfirmen zum Zug. „Wohlfahrtsverbände können nicht so günstig arbeiten“, sagt Inka Jatta von Pro Asyl. Bei den Privaten, die auch noch Gewinne erzielen wollen, gehe das aber bisweilen zu Lasten der Qualität. Wie Ridda Martini, der die Heime in Dilldorf und Frintrop mit großem Engagement aufgebaut hat, inzwischen vier städtische und die mit 500 Flüchtlingen belegte Landes-Unterkunft im Opti-Park leiten kann, ist Anlass für kritische Nachfragen. Problematisch könnte auch sein, dass die Stadt im Vertrag mit European Homecare nicht die Qualifikation der Mitarbeiter festgelegt hat, sondern eine „Leistungsbeschreibung“: Da steht also nur, was zu tun ist. Das Unternehmen traut zum Beispiel soziale Betreuung nicht nur Sozialarbeitern zu, sondern Quereinsteigern mit „eigenem Migrationshintergrund“.
Pro Asyl hört auch von netten Sicherheitsleuten
Abgründe wie in Burbach haben sich in Essen nicht aufgetan, und Inka Jatta von Pro Asyl hörte auch von netten Sicherheitsleuten, die Flüchtlingskindern Spielzeug mitbrachten. In ihre Beratung kommen aber regelmäßig Menschen, die sich in den Asylheimen weder gut aufgehoben und versorgt noch über ihre Rechte informiert fühlen.
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In der jetzigen Überforderungssituation mit übervollen Heimen zeigen sich hier die Grenzen der Alles-aus-einer-Hand-Lösung: „Wenn da etwas schief läuft, gibt es vor Ort für die Leute keine neutrale Kontroll- und Beschwerde-Instanz“, so Caritas-Direktor Hermans. Auf solche Einwände hat European Homecare nun reagiert: Man will das Heim im Opti-Park für Pro Asyl öffnen.
Die Stadt aber muss in Zukunft sorgfältig prüfen, wie weit man den Betrieb von Asylheimen outsourcen kann – ihre Verantwortung für die schutzsuchenden Menschen kann sie nicht privatisieren. Das muss beachtet werden, wenn nun im Auftrag des Landes ein Groß-Asyl mit 800 Plätzen beim früheren Kutel-Hof in Fischlaken entstehen soll. Die preisgünstige Paketlösung muss überdacht, die Wohlfahrtsverbände müssen wieder einbezogen, Nachbarschaftshilfe organisiert werden. Wie sagt der Dezernent selbst: „Auch der Flüchtling, der nur ein paar Tage hier lebt, ist ein Mitbürger auf Zeit.“