Essen. Chefvisite bei Ansgar Wessling: Der Olympiasieger im Rudern baute sich über 20 Jahre ein erfolgreiches Hörgeräte-Geschäft in Essen auf. Sein Hobby allerdings hätte ihn vor sechs Jahren fast das Leben gekostet -mit einschneidenden Folgen.

Das Prinzip „gut, ist nicht gut genug“ hat Ansgar Wessling sein ganzes bisheriges Leben geleitet. Was er persönlich seinen „Aua-Schaden“ nennt, würden andere als Antrieb zum Erfolg bezeichnen. Und Erfolge hatte der 53-Jährige in seinem Leben viele. Ob als Olympiasieger und mehrfacher Weltmeister mit dem Deutschland-Achter im Rudern oder später als Unternehmer. Der gelernte Hörgeräte-Akustiker baute in knapp 20 Jahren die Firma „Hörsysteme Ansgar Wessling“ zu einem Betrieb mit zehn Filialen und 60 Mitarbeitern aus.

Sein Streben nach Erfolg und Anerkennung hätte Ansgar Wessling aber auch fast das Leben gekostet. 3. Oktober 2008: Bei einem Unfall auf dem Hockenheimring wurde er lebensgefährlich verletzt. Im Internet schrieb ein Zuschauer später: „Das Auto konnte man danach nicht mehr als Auto erkennen.“

Der Autonarr Wessling hatte fünf Jahre zuvor mit dem Rennsport begonnen, fuhr im „Porsche Sports Cup“ und feierte dort ebenfalls Erfolge. Er machte auch im Rennsport keine halben Sachen, ging im Porsche immer an seine Grenzen. Zu diesem Zeitpunkt besaß er bereits ein gut laufendes Unternehmen, war für Dutzende Mitarbeiter verantwortlich, hatte Frau und Kinder. Warum er dennoch den Kick suchte? Wesslings Antwort ist kurz: „Gefahr. Erfolg. Aufmerksamkeit. Es geht doch am Ende immer nur darum.“

Einschneidende Folgen

Nach dem Unglück saß er drei Monate im Rollstuhl, lief zwei Jahre an Krücken. Ein Hüftschaden ist geblieben. Noch bis 2008 führte er selbst mit „gigantischer Leidenschaft“ viele Beratungsgespräche mit Kunden selbst. Dinge herauszuspüren, problemlösend zu sein „das alles war für mich zutiefst zufriedenstellend.“ Nach der langen Krankheit musste er das aufgeben. Trotzdem sagt er: „Der Unfall ist ein riesengroßes Geschenk gewesen. Ich erlebe mich seither als aufgewacht.“

Heute kümmert er sich in seinem Betrieb um die Abläufe, ums Marketing, ist Innovator. „Ich bin zwar jeden Tag in der Firma, aber ich möchte nicht mehr 80 Stunden in der Woche arbeiten“, sagt er. Es zähle nicht, wie viele Filialen das Unternehmen in ein, zwei oder zehn Jahren hat. Sondern – und Wessling klopft sich dabei mit der Faust auf die Brust – „es geht darum, da drin Zufriedenheit zu finden“. Schon kurze Zeit nach dem Unfall hatte er in einem Interview gesagt: „Ich lebe das Leben seither bewusst, intensiv und wahrnehmend.“

Der Sohn eines Schuhfabrikanten kam mit 14 Jahren zum Rudern und mit 16 dann zum Leistungssport. Die Eltern sahen dies durchaus kritisch. Ihrem Jüngsten, der ihnen in der Schule wenig Freude machte, trichterten sie stets ein: „Du musst etwas lernen, sonst wird aus dir nichts.“ Neben dem Sport machte Wessling erst eine Augenoptiker-Lehre, anschließend eine Ausbildung zum Hörgeräte-Akustiker, später den Meister. Und in jeder freien Minute dazwischen hieß es: rudern, rudern rudern. „Man muss schon ganz schön bekloppt sein.“

Wessling rudert wieder

Er selbst nennt sich einen egozentrischen Menschen. „Wer Leistungssport betreibt, der muss entsprechend veranlagt sein. Daraus resultieren ganz viel Antrieb, Energie und Motivation.“ Eigenschaften, die ihm auch den unternehmerischen Erfolg gebracht haben.

Aber kann ein Egozentriker überhaupt ein guter Chef sein? „Ich versuche, auch die andere Seite zu leben.“ Für ihn heißt das, den Job mit Herz , Leidenschaft, Respekt, Toleranz und Verständnis zu machen. Seine Mitarbeiter hätten viele Freiheiten und viel Entscheidungskompetenz. Sie brauchen im Gegenzug aber auch klare Entscheidungen und damit Sicherheit. „Und das gebe ich ihnen.“

Privat ist es um Wessling seit dem Unfall ruhig geworden. Außer im Lionsclub ist er auf keinen gesellschaftlichen Events mehr zu Gast. „Wofür auch? Um mich hofieren zu lassen? Da verbringe ich die Zeit lieber mit meinen Kindern und Freunden.“ In einen Porsche ist er seit 2008 nicht mehr gestiegen. In ein Ruderboot aber dann doch. Obwohl ihm die Ärzte wegen der Hüftprothese davon abraten. „Ich gehe ganz bewusst dieses Risiko ein“, sagt Wessling. „Ich möchte das Rudern nicht bleiben lassen, weil es mich so tief berührt.“